Zu manchen Autoren kommt man wie die Jungfrau zum Kinde – ohne damit wirklich zu rechnen. Mein erster Roman von Arthur Gordon Wolf war „Die Weissen Männer“ aus dem KOVD Verlag, die Vorgeschichte seiner UMC-Saga. Durch die Novelle umgehend angefixt, widmete ich mich sofort danach den „Madenjägern“ aus dem Blitz Verlag, verschlang auch diese und suchte jetzt bereits dem Nachschub diesbezüglich entgegen.
Thomas Rippert: Arthur, zuerst einmal vielen Dank, dass Du dir die Zeit nimmst um mir ein paar Fragen zu beantworten.
Für diejenigen, die dich noch nicht kennen, stelle dich doch bitte kurz einmal vor.
Arthur Gordon Wolf: Nix zu danken. Mach ich doch gern. Vorstellen? Okay. Ich verfasse in erster Linie düstere, unheimliche Geschichten, die sich allerdings oft nicht an Genre-Regeln halten. So kann es schon mal geschehen, dass ‚Mystery‘, ‚Horror‘ und ‚SF‘ nahtlos ineinander übergehen. Auch vor Fantasy schrecke ich nicht zurück. Aktuell sind etwa 70 Kurzgeschichten drei Romane und diverse Novellen von mir erschienen. Sogar ein SF-Hörspiel hat es bis ins Radio gebracht (SDR/SWR + HR).
Thomas Rippert: Was hat dich veranlasst überhaupt mit dem schreiben anzufangen? Was war die Initialzündung?
Arthur Gordon Wolf: Oh, das liegt schon sehr lange zurück und beruht wohl auf einem Zufall. Etwa ein Jahr nach meinem Abi traf ich einen ehemaligen Schulfreund in der Stadt. Wir unterhielten uns über dies und das und kamen dann auf Stephen King zu sprechen, der gerade bei Bastei Lübbe für den deutschen Markt entdeckt worden war. Irgendwie kamen wir auf die Schnapsidee, ähnliche Stories wie in Kings erster genialer Sammlung „Nachtschicht“ zu verfassen. So kam es, dass wir uns wöchentlich oder 14tägig unsere neuesten Elaborate zur Begutachtung zusandten. Damals ging das noch nicht per WhatsApp oder Mail. Die Dinger mussten noch alle fein säuberlich auf Papier getippt werden (mit Durchschlägen per Kohlepapier). – Ja, okay, man sieht, ich bin schon ein paar Semester alt. ;-)) – Wie auch immer. auch wenn wir – NATÜRLICH – nicht die Qualität des Bärtigen aus Maine oder eines Ramsey Campbell erreichten, so wurden wir aber stilistisch besser. Übung macht den Meister usw.. Und dann wurden wir etwa nach einem Jahr recht unverfroren und schickten unsere Stories an diverse Magazine. Ja, auch das ist heutzutage nicht mehr möglich. Welches Magazin druckt heute noch Kurzgeschichten?! Nicht einmal mehr der Playboy. Selbstverständlich sammelten wir jede Menge Ablehnungen, doch dann geschah es: ein recht großes Mode-Männer-Magazin kaufte zwei unserer Stories. Tja, und seit dieser Zeit ging es halt los. Ich hätte in meiner Naivität nur niemals gedacht, dass es von da an nur maximal schwieriger wurde, phantastische Geschichten an den Mann oder die Frau zu bringen. Dafür brauchte und brauche ich bis heute einen verdammt langen Atem. 😉
Thomas Rippert: Meine erste Berührung mit deiner Arbeit, hat mich sofort „abhängig“ gemacht. Will sagen: „Die Weissen Männer“ hatte für mich als Fan dystopischer Literatur definitiv Suchtpotential.
Wie planst Du deine Storys? Ist da die eigene Vorgabe „Ok, so viel Brutalität, so viel Humor, so viel Depression einer kaputten Welt!“, oder lässt Du einfach alles beim Schreiben auf die einstürmen?
Arthur Gordon Wolf: Ich HASSE Plotten. Nur bei ganz speziellen Erzählungen (wie z.B. bei meinen Sherlock Holmes-Pastiches „Die Blaue Taube“ und „Wheezy Joe oder Der Dunkle Gott der Menge“) war es leider unumgänglich. Ansonsten habe ich meist lediglich eine Ausgangssituation, zuweilen auch ein Ende, weiß aber nicht, wie sich die Dinge entwickeln werden. Auf diese Weise benötige ich zwar wesentlich länger als ein plottender Autor (ich schreibe generell seeehr langsam), der Akt des Schreibens hält aber für mich stets den Moment der Überraschung bereit. Wenn ich dies als Leser erwarte, warum sollte ich als Autor darauf verzichten?! 😉 Was nun die Mischung (‚Action‘, ‚Dialog‘, ‚Humor‘ etc.) betrifft, so ergibt sich diese Melange nahezu automatisch beim Schreiben. Irgendwie spürt man, dass man an dieser Stelle einen coolen Spruch platzieren und an jener eine düstere Atmosphäre erzeugen sollte. Oft ergeben sich die einzelnen Elemente durch Dinge, die soeben in der Story „geschehen“ sind; sie entstehen also auf ’natürlichem‘ Weg.
Thomas Rippert: Kommen wir zur UMC-Saga.
Man merkt der Welt an, dass sie gut durchdacht ist und dass sie diverse Anleihen an die Altmeister der dystopischen Literatur hat.
Warum eine Reihe lose zusammengebundene Geschichten anstatt einer konkreten Serie mit feststehenden Helden?
Arthur Gordon Wolf: Die Sache mit UMC hat sich selbständig über die Jahr(zehnt)e entwickelt. Meine erste jemals veröffentlichte Story – „Liebe mich!“ – war eine UMC-Story. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinen Schimmer davon, was einmal daraus werden würde. Erst nach und nach entstanden weitere dystopische Geschichten aus diesem Universum. Der Dreh zum lovecraftschen Universum kam erst Jahre später mit der Novelle „Die Dunwich-Pforte“. Da ich – wie schon erwähnt – kein Freund großartiger Planung bin, ergab sich alles erst peu à peu. Thannag-Shi tauchte auf, die Weissen Männer, Replikanten-Katzen und vieles mehr. Ich begriff, dass es sich hier um eine sehr umfangreiche und nicht ganz unkomplizierte Erzählung drehte. Und bis heute kenne ich das Ende nicht…oder nur in Ansätzen. 😉
Thomas Rippert: Inwieweit lässt Du dich von vorhandenem Material inspirieren? Also Filmen, Büchern usw.. Und von was oder von wem?
Arthur Gordon Wolf: Bewusst von nahezu gar nichts, Lovecraft und seinen Cthulhu-Mythos einmal ausgenommen. Natürlich lese ich recht viel. Jemand der schreibt, MUSS viel lesen und natürlich wandert der Stoff irgendwo ins Unterbewusstsein. Ich erfinde das Rad also nicht neu, kopiere aber nicht gewollt bestimmte Autoren oder Filme. Wenn Leser Parallelen zu Philip K. Dick oder Ridley Scotts Blade Runner entdecken, so mag das zutreffen, bewusst geschah dies allerdings nicht. Ansonsten inspiriert mich eher die Entwicklung der KI im Allgemeinen. Einige Dinge, die ich in frühen Stories ausgedacht hatte (wie z. B. Thermocolor-T-Shirts), sind in der Zwischenzeit Realität geworden. Ich muss mich also sputen, damit meine DystopieDystopie bleibt und nicht zur ‚Gegenwartsliteratur‘ verkommt. 😉
Thomas Rippert: Den Bezug zu P.K. Dick konnte ich gefühlt nicht von der Hand weisen, und empfinde ihn auch nicht verwerflich.
Verlagstechnisch lässt Du dich ja momentan noch nicht festlegen.
„Die Weissen Männer“ erschien seinerzeit bei Voodoo Press, welche es leider nicht mehr gibt, und jetzt in der Neuauflage bei KOVD. Die „Madenjäger“ sind als Zweiteiler in der Lovecraft-Serie des Blitz Verlages beheimatet.
Wird die UMC noch mehr Verlage mit ihrer Anwesenheit beehren, oder hast Du dein Zuhause gefunden?
Arthur Gordon Wolf: Hehe. Gute Frage. Die vielen Verlage wurden nicht freiwillig von mir gewählt, sondern das düstere Kapitel begann mit dem plötzlichen Ende von VP. Über ein paar Jährchen hatte ich die Zusagen von zwei weiteren Verlagen (die dann aber nicht erfüllt wurden), bis endlich der BLITZ-Verlag zuschlug. Beinahe zeitgleich wandte ich mich an KOVD wegen meiner nun ‚heimatlosen‘ WEISSEN MÄNNER‘ und fand dort nur offene Türen und megaviel Enthusiasmus. Dort wird es bestimmt in nächster Zeit ein weiteres Projekt geben…oder zwei. Ob es beim BLITZ-Verlag weitergeht, kann ich jetzt noch nicht sagen. Nicht jeder Teil meiner UMC-Saga ist direkt von Lovecraft beeinflusst, weswegen die spezielle Reihe also nicht in Frage käme. Schaun wer mal. Ich bin jedenfalls mehr als froh, in dieser verrückten Corona-Zeit bei BLITZ und KOVD eine Heimat gefunden zu haben.
Thomas Rippert: Stichwort „Corona“!
Viele Verlage haben extreme Einbußen in den Verkäufen zu verzeichnen und auch bei vielen Autoren im Selfpublishing ist einiges weggebrochen.
Wir sind uns sicher alle darüber einig, dass gerade die Kunstschaffenden mit am heftigsten von der Pandemie betroffen sind.
Wie gehst Du damit um?
Auf den einen Seite brechen die Verkäufe weg, aber auf der anderen Seite sind es ja gerade Menschen wie Du, welche es dem Nichtkünstler ermöglichen die Pandemie durch Weltenfluchten erträglicher zu machen!
Arthur Gordon Wolf: Ganz ehrlich? Ich lasse den ganzen Mist nicht allzu nah an mich ran. Ich bin in der glücklichen Lage, mein Auskommen unabhängig von äußeren Missständen zu haben. Vom Schreiben konnte ich noch nie leben (weniger als 1% aller Autoren können das) und ich werde es wohl auch nie. Das war mir aber sehr schnell klar. Illusionen schminkt man sich in der Branche schnell ab. Deswegen höre ich aber nicht auf mit dem Schreiben. 2020 hat natürlich auch mir einen Strich durch die Rechnung gemacht, habe ich doch gleich drei neue (okay ein wiederveröffentlichtes Buch) Werke im Portfolio. Erstmals wollte ich in diesem Jahr nach Marburg zum Con und dann natürlich zur BuCon. Gerne hätte ich dort Madenjäger vorgestellt und daraus gelesen. Tja, da geht es mir wie allen: Pech gehabt. Schaun wir mal, ob es 2021 klappt, doch schon bei der „frühen“ Leipziger Messe kommen mir da so meine Zweifel. Aber Aufgeben zählt nicht.
Was die Wertschätzung von Autoren, Satirikern, Kabarettisten, Regisseuren, Schauspielern usw. betrifft, so bedarf es wohl doch noch eines allgemeinen Umdenkens. Natürlich sind Pfleger, Krankenschwestern, Ärzte, Apotheker aber auch Verkäufer, Postboten, Müllmänner etc. ganz besonders in dieser Zeit wichtig. Alle übrigen Berufe allerdings als nicht oder weniger ‚relevant‘ abzuwerten, geht meiner Meinung nicht in Ordnung. Jeder trägt sein Scherflein dazu bei, damit der Ball am Rollen bleibt. Und Kulturschaffende sorgen halt für psychologischen Ausgleich, eine nicht minder bedeutsame Aufgabe in Corona-Zeiten.
Thomas Rippert: Wahre Worte, denen nichts hinzuzufügen ist! Außer, dass es ja die Möglichkeit einer Livestream-Lesung, z.B. bei Facebook, geben würde.
Next Question: Ich befasse mich ja auf LUKES MEINUNG hauptsächlich mit phantastischen Themen. Nun ist mir im Laufe der Jahre, in denen ich auch Bücher bespreche, aufgefallen, dass gerade bei den größeren Verlagen der Phantastikbereich sehr zusammengeschrumpft ist. Wenn, z.B., Dystopie, dann nur die sicherlich verkaufsträchtige Jugenddystopie, welche inklusive involvierter Lovestory zumindest die Teenager anspricht. Erwachsene Experiment auf diesem Gebiet findet man nur bei den kleineren Verlagen oder im Selfpublishing (WASTELAND von den Vogts bei Knaur einmal ausgenommen).
Sind die älteren Leser der Phantastik vom Aussterben bedroht? Kommt da keine Generation mehr nach, welche unter einer Zombiedystopie etwas anderes als eine Lovestory wie „Warm Bodies“ versteht?
Arthur Gordon Wolf: Die Phantastik im Allgemeinen und die Unheimliche Phantastik im Besonderen sind ja Genre-Sparten, die leider nicht Hunderttausende Fans besitzen, es sei denn man heißt J. K. Rowling oder Stephen King. Ja, es fällt sehr deutlich auf, dass z.B. die Sparte „Horror“ vollkommen bei den großen Verlagen verschwunden ist. Und handelt es sich doch um glasklaren Horror, wird er als „Psycho-Thriller“ vermarktet. Wie das Wort schon sagt, es hat nahezu alles mit dem Markt, mit Kommerz und weniger mit Lesergeschmack zu tun. Ich habe allerdings den Eindruck, als wenn diese Talsohle zwischenzeitlich durchschritten wäre und auch bei den Big Playern wieder Horror und Dark Fantasy salonfähig würde. Für uns Autoren bieten aber mittlere und kleine Genre-Verlage recht viele Plattformen, um seine Werke an die Leser zu bringen. Bei entsprechendem Marketing und genrespezifischer ‚Kundenpflege‘ generiert man auch hier eine wachsende ‚Interessengemeinschaft‘. LUZIFER, FESTA und BLITZ wären dafür gute Beispiele.
Was die Altersstruktur der Fans betrifft, habe ich keine Ahnung. Ich weiß nur aus Statistiken (und durch den täglichen Austausch mit Lesern), dass deutlich mehr Frauen als Männer zum Buch greifen.
Thomas Rippert: Traurigerweise! Männer können aber auch lesen, habe ich mir sagen lassen! 😊
Welche Tipps würdest Du einem Nachwuchsautoren ans Herz legen?
Arthur Gordon Wolf: Männen können lesen, doch leider tun’s nur wenige. Und wenn man dann solche Hirnakrobaten wie Kanye West sieht, der erst gestern stolz postete, dass er nie so etwas Langweiliges wie ein Buch anfassen würde…. seufzzz
Was Tipps betrifft, so bin ich wahrscheinlich die falsche Person. Als ich mit dem Schreiben (und Veröffentlichen) begann, war es eine Zeit (fast) ohne WWW und ohne Smartphone, ohne Email und eigenem Kopierer.
Die einzigen Binsenweisheiten wären:
1.) Lesen, Lesen, Lesen!
2.) An sich glauben, egal was andere sagen
3.) Gleichzeitig aber den Meinungen enger Freunde und Verwandte misstrauen (die finden oft alles „toll“)
4.) Diszipliniert und beharrlich sein Ziel verfolgen
5.) Rückschläge und Absagen als „Normalität“ im Geschäft akzeptieren lernen.
6.) Einen verdammt langen Atem haben. Für Sprinter und Mittelstreckler ist das Schreibgeschäft nichts. Da sollte man schon Marathon- oder gar Triathlon-Qualitäten besitzen. Zuweilen haben einige dies auch tatsächlich in beiderlei Hinsicht – siehe Tim Lebbon.
7.) Ein gewisser Hang zum Masochismus kann auch nicht schaden. 😉
Thomas Rippert: Dem ist von meiner Seite aus nichts mehr hinzuzufügen!
Arthur, ich danke dir nochmals für deine Zeit und die ausführlichen Antworten (das Interview erstreckte sich über mehrere Tage, Anm. des Radaktionseumels).
Ich hoffe noch viel UMC von dir in meine gierigen Suchtfinger zu bekommen. Me Love UMC!!!
Arthur Gordon Wolf: Lieber Thomas, ich habe zu danken. Hat Spaß gemacht. Und was UMC betrifft: I’ll do my very Best! 😉
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