Luke Danes: Markus, vielen Dank das Du dir die Zeit für ein paar Fragen nimmst!
Nach deinen Arbeiten in der Detektei Bates, einem Erlebnis mit der Horrorpuppe Lula, einem Besuch beim Mardi Gras und diversen Produktionen für andere Hörspiellabel, legst Du nun mit deiner eigenen Serie im eigenen Label los.
VIOLA AXTON ist die Geschichte einer Killerin, welche sich auch dem Übernatürlichen widmet und zusammen mit ihrer kleinen Schwester diverse Nachtgestalten kennen lernt.
Wie kamst Du auf die Idee einer weiblichen Protagonistin?
Markus Duschek: Die Idee zu „Viola“ trage ich jetzt schon einige Jahre mit mir herum. Die erste Version der Geschichte entwickelte ich kurz vor meiner Filmhochschulzeit Ende der 90er, damals noch ohne die übernatürlichen Elemente. Wie das so ist: Man hat Ideen, die einem nicht aus dem Kopf gehen, die aber auf den rechten Zeitpunkt warten müssen. Und der war gekommen, als ich mich daran machte mein eigenes Label zu gründen. Warum eine weibliche Protagonistin? Tjaaa, irgendwie habe ich ein Faible für starke, vielschichtige Frauenfiguren. Und die sind im Gruselseriensektor, vorsichtig gesagt, ziemlich unterrepräsentiert. 😉
Luke Danes: Bis auf FAITH fällt mir da jetzt auch nicht wirklich njemand ein.
Zweite Frage, welche sich ebenfalls um eine ungewohnte Sache im deutschen Hörspielgrusel dreht: Wieso Deutschland als Schauplatz und deutsche Protagonisten?
Markus Duschek: Gute Frage. 😉
Ich denke, dieser Standard, dass man solche Unterhaltungsstoffe im (bevorzugt) englischsprachigen Ausland ansiedelt, war in der Populärkultur der 60er/70er Jahre angesagt und ist dann aus den Heftromanen in die Hörspielumsetzungen „hinübergeschwappt“. Man fand das halt cooler, aber ich denke, heutzutage ist dieser Kniff ziemlich überflüssig und schafft nur eine unnötig künstliche Distanz zwischen Hörern und den Charakteren & Schauplätzen. Nicht umsonst erlaube ich mir ja mit dem Titel der Serie/dem Namen der Protagonistin einen kleinen Seitenhieb in diese Richtung. Hörer der ersten Folgen wissen was ich meine. 😉
Allerdings werden wir im Laufe der Serie noch diverse andere Schauplätze aufsuchen. Als Nächstes sind Frankreich in Folge 3 und Finnland in Folge 4 dran. 😉
Luke Danes: Also wird VIOLA europäisch unterwegs sein – kontinental gesehen!
Nach der Veröffentlichung der ersten beiden Folgen kamen recht schnell kritische Stimmen auf, welche mit den Sprechern und deren Leitung nichts anfangen konnten.
Mir ging es leider genau so und besonders Astrid von Feder (Viola Axton) wirkte für mich sehr deplatziert. Nach bekannten Namen, also ausgelutschten Stimmwundern, sucht man vergebens – was nichts negatives aussagen soll und will – doch neben Werner Wilkening scheint mir kein „Profi“ mit von der Partie zu sein.
Wieso die Wahl von gerade dem Sprecher auf gerade die Rolle?
Markus Duschek: Nicht nur europäisch, aber ich will jetzt nicht zu weit vorgreifen. 😉
Bei der Planung war ich mir sehr schnell darüber im Klaren, dass es keinen Sinn macht den „Big Playern“ einfach nur „in Kleiner“ nachzueifern. Als „Indie“ sollte man eher sein eigenes Ding durchziehen, aber das kann ich nachher noch genauer ausführen.
Jetzt erst einmal zu den Sprechern bzw ihren Leistungen: In meiner Arbeit mit Ralf Jordan, vor allem an „Schneetreiben“ (2012), habe ich gelernt/bemerkt, das es „da draußen“ viele tolle Stimmen zu entdecken gibt, die wir sonst gar nicht aus Hörspielen kennen. Das sind dann zT Leute von der Bühne, oder die anderweitige Synchron-, TV -, Radio- und ähnliche Erfahrungen mitbringen. Ich habe von 2012-2013 selber eine Sprecherausbildung gemacht und dadurch einige Sprecher kennengelernt, gerade auch aus den vorangegangenen Kursen.
Ich wollte- und das habe ich auch durchgezogen- KEINE Laien vor dem Mikro. Alle, die in „Viola“ zu hören sind, haben ihr Handwerk gelernt. Wenn man also mit dieser oder jener stimmlichen Leistung nichts anfangen kann, dann ist das völlig legitim.
Woran ich mich aber schon stoße ist diese „Kenn ich nicht, gefällt mir nicht = Amateur/Laie/sollte keine Hörspiele sprechen“-Reaktion bei einigen Leuten. Die Sprecher haben geliefert, was ich von ihnen als Regisseur wollte. Dementsprechend kann man gerne darüber diskutieren, ob einem der Stil/die Umsetzung gefällt. Was die Performances betrifft, ziehe ich mir aber den Schuh an, zumal ich selbst mit dem Resultat zufrieden bin- aber nicht verharren werde.
Stillstand ist tödlich.
Und in der Hinsicht wird sich auch Viola weiter entwickeln. Astrid war für mich schon sehr früh die erste Wahl für Viola. Für mich hat sie nicht nur die absolut passende Stimme, sondern ich wußte auch, dass sie den (zugegeben sehr schwarzen) Humor der Figur für mich richtig rüberbringen würde.
Luke Danes: Also gewollt gegen den Strich dessen gebürstet, was Vielhörspielhörer gewohnt sind und sicher auch erwartet haben?
Willst Du mit VA verkrustete Strukturen im deutschen Hörspiel ankratzen und wenn ja: Ist das nicht finanzieller Suizid, nicht nach den Vorlieben der – wenn auch nur im Netz omnipräsenten – Kassettenkinder zu produzieren?
Markus Duschek: Die interessante Erfahrung, die ich- nicht nur- auf der Premiere gemacht habe, ist ja dass gerade Leute, die nicht zu den Vielhörern kommerzieller Hörspiele gehören, „Viola“ gegenüber mehrheitlich viel offener, positiver reagiert haben als Hörer, die schon mit einer sehr konkreten Erwartungshaltung an eine Gruselhörspielserie herangehen. Was mich letztlich in meinen Hintergedanken zur Serie bestärkt hat.
Wie gesagt: Ich denke als neues Label tut man sich keinen Gefallen, wenn man versucht eine Schmalspurkopie der „Großen“ abzuliefern. Und an „Grusel“ besteht ja wirklich kein Mangel. Also nochmal „Dasselbe, nur in Grün“? I don’t think so. Wie im Independent Film macht es da weitaus mehr Sinn seine eigene Vision zu verwirklichen. Das ist so eine Erfahrung, die ich aus der Filmhochschule mitgenommen habe und jetzt auf meine eigenen Hörspielproduktionen übertrage.
Klar, ich sammle auch jede Menge etablierter Gruselserien und habe meinen Hörspaß daran. Aber bei meinem eigenen Projekt wollte ich schon andere Akzente setzen: Nicht nur des eigenen Geschmacks Willen, sondern weil das Hörspiel als Medium und Kunstform auch mal neue Impulse braucht, gerade auch wenn es Hörer jenseits der treuen Hörspielfangemeinde gewinnen will. Das bezieht sich dann durchaus auch ganz bewusst auf den Einsatz mehrerer „Ich“-Erzähler und innerer Monologe, gerade in Folge 1, die die weitere Handlung ja etabliert.
Ich wollte direkt „in den Kopf“ der handelnden Figuren abtauchen, das Hörspiel so auf eine andere Art für den Hörer fühl/erlebbar machen.Da sollte man sich stilistisch nicht von scheinbar unumstößlichen-eingerosteten „Standards“ abschrecken lassen, auch wenn es dann diesem oder jenem dann nicht gefällt. Mich stört so ein bisschen dieser aalglatte „Synchronsprech“, der sich in den letzten 15 Jahren im kommerziellen Hörspiel durchgesetzt hat. Das klingt dann oft wie eine amerikanische Vorabendserie und nicht mehr so unmittelbar wie einige der Hörspiele, die mich eigentlich geprägt und in jungen Jahren für das Medium begeistert haben.
Zudem bin ich ein Fan leiser Zwischentöne und eines eher etwas zurückgenommen Spiels. Wir sind es ja gewohnt, dass Emotionen im Hörspiel sehr geradeheraus serviert werden, wohl in der Annahme dass man so den Wegfall des Visuellen (also Gesichtsausdrücke etc) kompensieren könnte. Ich glaube, genau das hat einige beim Hören von „Viola“ etwas verwirrt, weil ich da in der Sprecherregie zT einen etwas anderen Weg eingeschlagen habe. Ich find’s spannender wenn man die Emotionen nicht immer auf dem Silbertablett serviert bekommt, aber durchaus „heraushören“ kann. „Over Acting“ macht ja mal Spaß, aber es ist halt eher oberflächlich und sollte deshalb sparsam eingesetzt werden. Mich reizt es mehr, wenn es spürbar im Hintergrund brodelt… 😉
Luke Danes: Du bist ja nun sehr kritikfähig und forderst diese von deinen Hörern auch regelrecht ein – ein seltener Wesenszug bei Hörspielproduzenten.
Nun hast Du dich aber auch gerade als Kassettenkind geoutet und gerade aus der Richtung weht ja der schärfste Wind an Kritik.
Ich stimme vollkommen mit dir überein, das man im Hörspiel Deutsch neue Impulse dringend benötigt um es erneut für Nichthörspieler interessant zu machen. Doch trifft man gerade die nicht im Internet auf den eingängigen Plattformen (z.B. Facebook) an, wobei ich hier die Foren ausklammere, da ich deren Zeit für beendet erachte.
Wie kommst Du mit VA an den Hörer heran, der nicht durch ??? und Törööö vorbelastet ist, sich aber für Sachen außerhalb des Tellerrands begeistern möchte?
Markus Duschek: Kritik/Feedback ist ja auch wichtig, gerade wenn man mit seiner eigenen Produktion am Anfang steht und noch Erfahrungswerte sammelt: Viel von dem was ich da lese, habe ich eigentlich auch erwartet- und so lange die Diskussionen um die „Sache“ kreisen, finde ich das auch gut und beteilige mich gerne daran.
Klar bin ich ein „Kassettenkind“, sonst wär‘ ich kaum zum Skriptautor und schon mal gar nicht zum Hörspielregisseur/produzenten geworden. *lach*
Aber hier liegt für mich auch der Knackpunkt: Mit 41 Jahren interessieren mich andere Dinge als damals mit 8-15 Jahren. Und das was uns als Teenager begeistert hat, das verursacht bei den heutigen Kids höchstens ein Stirnrunzeln- wobei meine Tochter auch gerne mal „Captain Future“ mit mir schaut. *lach*
Ich brauche das Hörspiel nicht, um meine Kindheit wiederzuerwecken. Ich brauche es als ein perfektes Medium zum Geschichtenerzählen. Mit Stimmen, Geräuschen und Musik liefere ich die Vorlagen, wecke Emotionen. Und jeder Hörer „malt“ sich seine eigene Version vom Geschehen und den Figuren im Kopf. Das macht das Hörspiel auch noch für Erwachsene attraktiv- wenn man Geschichten für Erwachsene erzählt, so wie sie eben gerade auch Hörbücher wie selbstverständlich liefern und entsprechend rege genutzt werden. 🙂
Diese Linie werde ich mit meiner zweiten Serie konsequent weiterverfolgen, für die die Autorinnen Rona Walter und Kristina Lohfeldt die ersten Skripte geliefert haben. Rona und Kristina haben schon diverse Bücher veröffentlicht und die Umsetzungen ihrer Skripte werden sicher ganz neue Hörer erreichen. Ein Projekt, auf das ich mich schon sehr freue. 🙂
Luke Danes: Zum Abschluss hätte ich gerne einen Tipp für alle Hörer, welche ihre erste Begegnung mit VA haben, Kassettenkind/Hörspieler mit Kindheitserinnerungen und durch 1234 Jahre Hörspiel vorbelastet sind.
Wie soll man an das Duschek-Hörspiel-X.0 heran gehen?
Markus Duschek: Tjaa, am Besten sollte man sich (einfach gesagt, ich weiß) offen darauf einlassen und es auf sich wirken lassen, vom Geschehen mittragen lassen, in die Figuren eintauchen und auch das Widersprüchliche zulassen, dass sie in einem auslösen. Wenn es einem danach immer noch nicht gefällt, dann „fair enough“, dann hat man wenigstens mal was Anderes gehört. Und ist vielleicht doch auch ein kleines bißchen neugierig geworden was sich da noch so in Sachen Hörspiel abseits der allzu vertrauten Pfade tut. 😉
Luke Danes: Dann bedanke ich mich nochmals für deine Zeit und die ausführlichen Antworten. Wir sprechen uns zu VA 3 & 4 wieder?
Markus Duschek: Sehr gerne. 🙂
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