Zeitmaschine, Die

zeitmaschineSigmund und Carl-Gustav Leid haben es geschafft. Nach jahrzehntelanger Forschung an der bergischen Universität Wuppertal haben die Geschwister und Physik-Professoren eine Zeitmaschine gebaut. Aber dann verschwindet die Mutter der beiden mit ihrer Errungenschaft. Doch die Geschwister haben noch ein künstliches As im Ärmel: Marvin. Eine wilde Verfolgungsjagd durch die Epochen unserer Kultur beginnt, die unausweichliche Fragen aufwirft. Wie war das mit dem Speer? Magdalena, oder doch Mona Lisa? Wer ist der wahre Erlöser? Und kann eine KI überhaupt drogensüchtig werden?

TrennstrichBevor jetzt wer zur Waffe greift: Die hier negativ dargestellten „Kassettenkinder“ und „Hörspieler“ sind die, welche keine Hörspiele mehr hören wollen, welche nach 1985 produziert wurden und neuen Dingen auch niemals eine Chance geben würden. Gemeint sind nicht die Interessierten am Medium, die sich zwar mit dem Gedanken an die Kindheit stets noch eine nette Erinnerung verschaffen, aber auch emotional noch nach 1985 im eigenen Hobby existieren können und gerne andere Wege als die bereits ausgelatschten betreten.

Oh mein Gott! Rod Taylor und H.G. Wells würden im Grabe rotieren, wüssten sie von diesem Hörspiel. Doch wäre das vollkommen egal, denn dieses Hörspiel, welches übrigens niemandem gewidmet ist, hat nicht im geringsten mit der wohl bekanntesten Zeitmaschine der Unterhaltungskultur zu tun!

Würde ich die Anfrage nach einer Besprechung von einem Hörspielmacher aufgrund einer nichtssagenden Hörprobe und dem Hörensagen von Kassettenkindern ablehnen, so gehörte ich aus der Schwebebahn gestoßen. Eine Chance sollte jeder bekommen sich zu beweisen… evtl. auch eine Zweite oder gar Dritte.

Somit gab ich dann soeben der Zeitmaschine der Uni Wuppertal eine Chance mich als Hörspiel zu überzeugen. Hat nicht geklappt, aber sie hat es zumindest versucht.

Zum einen sollte man einen offenen und bewegungsfähigen Denkapparat besitzen, um sich in die Zeitmaschine sperren zu lassen. Wer hier mit den gewohnten Bahnen an die ganze Sache heran geht, überlebt nicht einmal den ersten Track und dessen sieben Minuten Spielzeit.

Zum anderen ist es ein Vorteil, wenn man – so wie ich – im Bergischen Land geboren und aufgezogen wurde, denn der Lokalkollorit der Inszenierung ist gewaltig. Ich habe über achtunddreißig Jahre unter den Klängen des bergischen Singsangs gelebt um ihn als angenehm und nicht störend zu empfinden, doch ist „Magdalena Leid“ für viele Hörer sicher eine nervliche Zerreißprobe. Auch wenn sie von einem Mann gesprochen und die Akzentuierung der bergischen Verballhorung des Hochdeutschen extrem überzogen wird, so ist dies nur für wenig Ohren erträglich… sollte man in Bayern wohnen oder hoch oben an der Küste.

Die Sprecher sind allesamt Hobbyaktivisten, welche versuchen das Beste aus dem nicht vorhandenen Profisprechertalent zu machen. Das wäre dann ebenfalls ein Knackpunkt für den ortsüblichen Hörspieler, welcher von anderen Stimmen als denen seiner Kindheit bereits überfordert ist. Wenn die Protagonisten denn auch noch sprechen und betonen wie Karl Müller von der dritten Etage, ist das durchbrennen einer Sicherung schon vorprogrammiert.

Die Goldader des Hörspiels ist die Geschichte an sich. Die Idee dahinter wäre für eine sarkastische und latent sozialkritische Inszenierung sicher perfekt, doch sollte man die Umsetzung dann in die Hände von Profis geben, die bereits Blut aus den Venen von Hörspielen geschlürft haben.

Leider setzt sich hier der „Wat der Buur nit kennt, dat fritte nit!“ durch und die semiprofessionelle Umsetzung des Ganzen wird sicher ebenfalls das Züngelchen an der Wage zur Richtung „Das kauft keiner“ ausschlagen lassen.

Optisch macht die CD eine Menge her und auch die Umsetzung als MP3-Dateien ist wohl gewählt, ob der opulenten Spielzeit des Stücks. Die Codierung in 256Kbits lässt ebenfalls keine Wünsche offen, was die Klangqualität betrifft.

Es ist schade, denn ich wollte wirklich das mir „Die Zeitmaschine“ total gut gefällt und man eine neue Macherecke aufgemacht hat, welche sich traut von Nummer Sicher im Abverkauf ein Stück weg zu rücken. Doch leider sprang der Funke nicht über.

„Die Zeitmaschine“ ist ein Experiment, welches weder avantgardistisch noch anarchische Züge in sich trägt, sondern einfach nur zeigt was man eigentlich mit dem Medium so alles anfangen kann und welche Spielwiesen noch fast vollkommen jungfräulich sind – wenn man sich nur traut sie zu deflorieren.

Eine Chance hat das Ding bei jedem verdient der sich mental außerhalb von JustusPeterBob, Perry Rhodan, Lady Bedfort und John Sinclair bewegen kann. Für Betonkopfhörspieler und Hardcorekassettenkinder gilt jedoch die Warnung „Achtung, Neuzeitliches Hörspielgut. Könnte Verwirrungen der Kindheit mit sich bringen!Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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