London in den 1890er Jahren: Basil Hallward, ein talentierter Maler, verliebt sich in den jungen Dorian Gray und will seine faszinierende Jugend und Schönheit in einem Portrait festhalten. Dorian, durch den Anblick seiner selbst hingerissen, äußert den kühnen Wunsch, dass er nie altern, sondern das Bild dieses Schicksal auf sich nehmen solle. Dafür wäre er sogar bereit, seine Seele zu opfern…
London in den 1890er Jahren: Dorian Gray gibt sich, verführt durch den charismatischen Lord Henry Wotton, ganz den sinnlichen Gelüsten eines zügellosen Lebens hin und verfällt in einen Strudel der Leidenschaften. Doch weder die Zeit noch die Exzesse zeigen Spuren auf seinem jugendlichen Antlitz. Einzig sein Portrait verändert sich auf eigentümliche Weise…
Schönheit ist alles und der Intellekt zerstört sie.
Das fasst an sich die Geschichte von Dorian Gray in einem Satz zusammen. Als die Erzählung 1890 als Fortsetzungsgeschichte in Lippincott’s Monthly Magazine, und ein Jahr darauf zusammengefasst in Buchform, erschien, löste dieses Sittengemälde einen beachtlichen Sturm der Empörung gegen sich aus. Zu nahe am realen Leben war Oscar Wilde vorbei geschrammt und zu groß war der Spiegel den er der damaligen Gesellschaft vor hielt.
Die Metapher um das Böse hinter der unvergänglichen, engelsgleichen Schönheit traf einen Nerv, der sich bis dahin wohl nicht hatte reizen lassen. In der heutigen Zeit weiß man das die schöne Fassade nicht auch gleichzeitig einen freundlichen und moralisch gefestigten Charakter hinter sich verbergen muss, was der Geschichte aber an interessanten Aussagen keinen Abbruch tut.
Die Titanier verstehen es wie nur wenige einem klassischen Stoff noch so viel abzuringen das er auch in die heutige Zeit unterhaltsam übertragen werden kann. Die komplette Inszenierung des Hörspiels scheint sich an der Schönheit des titelgebenden Hauptdarstellers zu orientieren. Jeder der Sprecher gibt seinem Charakter anfangs eine große Portion an weichem und fast schon edel anmutendem Timbre ein, welches durch die ruhige und sehr intensiv ausgestaltete Hintergrundkulisse noch zusätzlich unterstützt wird.
So findet man sich dann auf der ersten CD in einer Welt wieder welche vor Schönheit, Edelmut und auch einer gehörigen Portion an Dekadenz nur so strotzt. Doch je weiter sich alles entwickelt um so düsterer werden die Bilder, welche die Titanier akustisch zaubern. Mit dem seelischen Verfall von Dorian Gray verfällt auch die Inszenierung in dunklere und unangenehmere Töne.
So wie sich der Beginn des Hörspiels von der emotionalen, fast schon sklavisch untergebenen, Abhängig der Umgebung Dorians von dessen Schönheit inspirieren lässt, so abstoßend schafft man es den fortschreitenden Wandel Dorians zu gestalten. Aus dem anfänglichen Sympath wird ein fast schon verachtenswertes Wesen, welches nur noch durch niedere Instinkte angetrieben wird. Obwohl er eher ein Produkt seiner auf ihn einwirkenden Umwelt ist, denn eine aus freien Stücken unbeeinflusst gewählte Verwandlung durchgemacht hat.
Ein umfangreiches und wieder sehr passend ausgewähltes Sprechcast verhilft den Figuren akustisch auf die Sprünge. So überzeugt David Turba als „Dorian Gray“ und spielt die Facetten des Charakters, von unschuldigem Jüngling zum berechnenden Lebemann, mit großer Überzeugungskraft aus. Auch Tom Vogt, Axel Malzacher und viele andere Sprecher – unter ihnen (jetzt kommt das Calling Names) Engelbert von Nordhausen, Dagmar von Kurmin, Melanie Pukaß, Uschi Hugo – wirklich sehr eindrucksvoll als Prostituierte anzuhören, Lutz Mackensy, Cathleen Gawlich und Multitalent Simon Jäger – beleben durch die feinfühlige Regie ihre Figuren perfekt, der damaligen Zeit entsprechend agierend und fast schon bildhaft überzeugend.
Die Geräuschkulisse ist wieder mit so viel Liebe zum Detail ausgearbeitet wie man es von den Produktionen der Titanier gewohnt ist. Die intensive Geräuschkulisse wird erneut so eingesetzt das man sie zwar registriert, sich jedoch nicht durch sie gestört fühlt. Der ganze Klangreichtum offenbart sich erst beim genauen hinhören, wenn man auf die Sounds allein achtete und nicht das komplette Gesamtbild hört. Die Musikuntermalung variiert diesmal von klassischen Motiven, welche ja in jeder Folge zu finden sind, bis hin zu jazzartig anmutenden Stücken bei denen ich mir aber nicht sicher bin ob sie zeitgenössischer Art sind, da selbst Mozart gewisse Jazzversätze in seiner Musik unter brachte.
Nicht alle Geschichten des Gruselkabinett verstehen es mich zu begeistern, entweder weil sie nicht wirklich gruselig sind oder weil sie zu viel mit Liebesgeschichte versetzt wurden. Doch Dorian Gray bietet alles was einen gepflegten, wenn auch eher unterschwelligen, Grusel ausmacht. Wie gewohnt bombastisch und mit einer Menge Gefühl für das Detail umgesetzt…
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