Wo das Böse lauert (Ania Ahlborn / Festa Verlag)

Deer Valley ist eine seltsame kleine Stadt. Immer wieder verschwinden hier Hunde und Katzen. Aber nun fehlt von dem zwölfjährigen Jude Brighton jede Spur.
Die Bewohner von Deer Valley bereiten sich auf das Schlimmste vor. Denn vor Jahren verschwand hier schon einmal ein Junge. Nach Tagen fand man seine verstümmelte Leiche im Wald, doch nie seinen Mörder.
Die Erleichterung ist groß, als Jude doch wieder zurückkehrt. Nur Steve merkt, dass mit seinem besten Freund etwas nicht stimmt. Dieser Junge ist nicht Jude!

Ania Ahlborn ist Stephen King!

Nein, ich habe nichts getrunken und ich bin auch nicht auf Drogen! Zumindest jetzt nicht, als ich dies hier schreibe.

Vor langer Zeit, habe ich mit dem Großmeister des Horrors gebrochen, wie man so schön sagt, aber dieses Buch atmet bereits auf den ersten zwei Seiten so viel King-Flair aus, das ich mich in die Glanzzeiten des Giganten des subtilen Horrors zurückversetzt fühlte.

Das Buch ist in drei Teile aufgegliedert, von denen jeder ein eigenes Kapitel der Geschichte abarbeitet. Teil Eins – welcher sich um Stevie, Jude, deren Familien und Umfeld dreht – hatte für mich beim Lesen das Feeling von „Stand by Me“. Der zweite Teil – in dem es um Rosie geht und in dem ebenfalls auch das Geheimnis um das rätselhafte Haus relativ aufgelöst wird – erinnerte mich in seinen Grundzügen an „Needful Things“. Sowie Teil Drei, in dem alles mächtig eskaliert.

Stevie könnte ein ganz normaler Junge sein, wenn da nicht seine geistige Behinderung wäre, die ihn zwingt sich seltsam auszudrücken und Sachen zu sehen die nicht wirklich existieren. So hat er sich in einem „Anfall“ Teile seiner rechten Hand im Müllzerkleinerer des Spülbeckens entfernt, da er seine Finger für Würmer hielt. Ihm zur Seite steht sein Cousin Jude, welcher seit dem Tod seines Vaters mit der Welt an sich abgeschlossen zu haben scheint. Die beiden bilden ein dysfunktionales Freundschaftspärchen, welches sich aber auf den anderen irgendwie verlässt.

Dann wäre da noch Rosie, die Frau eines Arztes, welche sich nichts sehnlicher als ein Kind wünscht. Als sie eine Totgeburt erleidet, unternimmt sie einen Selbstfindungstrip, der sie im späteren Leben mehr kosten soll, als sie sich vorstellen kann. Wo Stevies Welt noch halbwegs normal erscheint, ist Rosies Umfeld vollkommen aus der Bahn geraten und gerät recht schnell zu einem fast schon körperlichen wahrnehmbaren Alptraum.

Ania Ahlborn versteht es gekonnt mit den Ängsten ihrer Protagonisten zu spielen. Jeder Gefühlsregung der handelnden Personen steht des Öfteren ein sarkastischer Nachsatz entgegen, welcher alles noch viel anschaulicher gestaltet, als man es nur durch die reine Beschreibung der jeweiligen Regung vermitteln kann.

Stevies Gedankenwelt ist sehr mitreißend und man leidet mit dem Jungen, der ungewollt in ein Abenteuer verstrickt wird, welches ihm alles abverlangt, was er sich noch an geistiger Gesundheit hat erhalten können. Auch die Beschreibungen der jeweiligen Schauplätze ist so ausführlich und intensiv geraten, dass man den Rost der im Vorgarten von Stevies Stiefvater gesammelten Dinge förmlich riechen kann.

„Wo das Böse lauert“ konnte mich nicht nur durch den ständig vorhandenen Horror fesseln, sondern auch durch die stets gekonnt angebrachten Wortspielereien, welche die Übersetzung ebenfalls ohne holpern und stolpern vermitteln kann.

Fans von Stephen King werden hier bedient und auch die Fans von kreatürlichem Horror, sowie Psychothrillern, kommen voll und ganz auf ihre Kosten!

Festa

Thomas Rippert
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