Niemand lebt ohne Vergangenheit, doch bin ich jemand der keiner Epoche nachtrauert und Sätze wie „Früher war alles besser!“ stets mit einem abschätzigen Grinsen kommentiert. Blöder Satz, aber irgendwie muss ich ja in die Nummer hier einsteigen…
Hollywood im Ausnahmezustand. Neue Ideen scheinen immer dünner gesät zu sein und man besinnt sich deshalb auf die Rückkehr der alten Recken in aufgemotzter, zeitlich angepasster, Form. Dabei hat man nicht viele Skrupel auch einmal ein cineastisches Sakrileg zu begehen, denn die neuzeitlichen Kinogänger scheinen vieles schnell zu verzeihen.
So wurde dann auch eine der klassisch umstrittensten Produktionen der Filmgeschichte einer neuen Lackierung mit aufgesetzter Generalüberholung unterzogen: ROBOCOP.
Ich habe nichts gegen Reboots oder Remakes, ganz im Gegenteil – gewisse Filme funktionieren heute so nicht mehr, wie sie einmal vor 30 oder mehr Jahren abgedreht wurden, haben jedoch Geschichten, die man problemlos zeitlos nochmals neu erzählen kann.
Die Rachegeschichte der Menschmaschine Alex Murphy eignet sich eigentlich gut zum Neustart in der heutigen Zeit, da man mittlerweile viele Möglichkeiten der visuellen Darstellung hat, welche 1987 noch nicht einmal in den feuchtesten Träumen der Special-Effects-Leute zu finden waren.
Die Zusammenfassung der Story ist relativ einfach: Der Straßencop Alex Murphy wird in Ausübung seines Dienstes von einer Gang zu Tode gefoltert. Viel bleibt von Murphys Körper nicht übrig und da die Polizei privatisiert ist, kann sie über Murphys Überreste verfügen wie sie will. Dies machen sich die „Besitzer“ der Detroiter Polizei – der Konzern „Omni Consumer Products“ – zu nutze und setzen Murphys Leichnam für ihre Forschungszwecke ein, welche ihnen noch mehr Profit im Kampf gegen die Kriminalität einbringen sollen. Doch der stählerne Pinocchio möchte lieber Mensch als Maschine sein und macht sich auf die Stahlplatten um seine Mörder dingfest und Detroit wirklich ein wenig sicher zu machen.
Da dies ein Film von Paul Verhoeven war, welcher sich schon sehr früh einen Namen als „Blutnarr“ gemacht hatte, strotzte die Produktion nur so vor Brutalität und ungeschönten Gewaltdarstellungen. Dies brachte dem Werk schnell eine recht heftige Kritik entgegen und bis zum Ende des Jahres 2013 einen warmen Sitzplatz auf der Strafbank indizierter Filme ein.
Doch gerade wegen der exzessiven Darstellung von Gewalt und der Schilderung einer komplett dystopisch entwickelten Gesellschaftsstruktur – welche stets sarkastisch überzogen wurde – fand der Film eine recht große Fanbase. Die Fortsetzungen in Kino und TV möchte ich einmal gnädigerweise ausklammern, denn irgendwie gelang es nie mehr das Feeling des Originals einzufangen. Diesen Kult – auch wenn ich die Bezeichnung verabscheue – jetzt neu zu erfinden, würde kein leichtes Unterfangen werden. Und so sollte dies auch nicht gelingen…
Die Neuverfilmung von 2014 ist noch nicht einmal eine solche, denn der neuzeitliche ROBOCOP weicht in fast allem von dem ab, was das Original so interessant machte. Selbst die Geschichte an sich findet nur in fraktalen Bruchstücken Verwendung.
Die ätzende Gesellschaftskritik des Originals ist nicht mehr vorhanden und musste einem weichgespült glattgebügelten Pamphlet gegen die amerikanische Gegenwartspolitik weichen, welches in seiner Zahnlosigkeit kaum zu überbieten ist.
Da wo sich Verhoeven auf das brutale abschlachten des angedachten Sympathieträgers verließ, welches seine Wirkung nicht verfehlte und den Zuschauer auf die Seite von Murphy und der Wahl seiner Methoden brachte, wird der neue Murphy einfach „nur“ mit seinem Auto wie nebensächlich in die Luft gejagt. Dies würde funktionieren, wenn es der Figur in den Filmminuten vorher gelungen wäre auch nur den Funken von Sympathie beim Zuschauer zu erzeugen, doch davon war der Schauspieler Joel Kinnaman in seiner Darstellung bei mir kilometerweit entfernt.
Eine FSK von12 Jahren setzt voraus, das sich hier die Darstellung von Gewalt im Rahmen einer Disney-Produktion aufhalten wird, doch muss man nicht unbedingt alles so dermaßen kastrieren, das dieser Maschinenmensch auch problemlos seine Heimat im KIKA finden könnte.
Sämtliche Charaktere der 2014-Produktion sind so verwaschen und austauschbar angelegt und gespielt, das sie den Darstellungen des Originals noch nicht einmal im entferntesten das Wasser reichen können. Da wo Peter Wellers „Murphy“ sich erst einmal selbst finden und erkennen muss um dann nachvollziehbar zu reagieren, geht der Neo-Murphy Wege des komatösen Psychodramas, bevor er überhaupt ein paar Momente der Action hat.
Auch wenn man in beiden Versionen nur die Mundpartie des ROBOCOP sehen kann, so schaffte Method-Actor Peter Weller es in einer einzigen Szene mehr Emotionen zu transportieren als Joel Kinnaman im kompletten Film. Man weiß nie genau worin sich jetzt die emotionale Abschaltung des Kinnaman-ROBOCOP manifestiert, denn er agiert stets gleich – ohne erkennbare emotionale Regungen.
Es gäbe noch unendlich vieles an negativen Dingen aufzuzählen, denn diesem Neustart gelingt eben genau das nicht – eine gute Story akzeptabel in die heutige Zeit zu übertragen.
Regisseur José Padilas ROBOCOP wirkt gegen Verhoevens Naturgewalt wie der androgyne Versuch eine Marke des Klassikerkinos weiter auszuschlachten. Die Generation der Twilight-Kinobesucher hat nun auch ihren Metallhelden abbekommen, welcher alleine wegen der schwarzen Lackierung nicht in der Sonne glitzert, denn diese ist im neuen Detroit – in dem OCP noch nicht einmal seine wahre Gesinnung im Namen tragen darf – zur Genüge vorhanden, in allen nur erdenklichen Pastelltönen.
Der Gedanke daran, das dieser Film als Start einer neuen Filmreihe angedacht ist, lässt schlimmes vermuten.
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