Hexennacht

Hexennacht

Arved Winter wurde vor kurzem seines Amtes als Pfarrer in einer Trierer Gemeinde enthoben, weil er von der Kanzel herab verkündete, er glaube nicht mehr an Gott. In tiefer Enttäuschung und starken Zweifeln an Gott und der Welt, vor allem aber an seinen Stellvertretern auf Erden, macht er einen Ausflug in die Eifel. Er bemerkt seltsame Aktivitäten, huschende Gestalten, und je später es wird, desto merkwürdiger und unheimlicher wird das Geschehen in den kleinen Dörfern, durch die er fährt. Erst spät begreift er, dass es sich um Vorbereitungen für die nahende Walpurgisnacht handelt. Das Wetter wird schlechter, und noch in Gewitter und Dunkelheit fährt Winter ziellos umher. Da entdeckt er in einem Waldstück eine Frau, die wild gestikulierend seinen Wagen anhält. Sie ist völlig hysterisch und bittet Winter um Hilfe. Ihr Mann, so berichtet sie, liege mitten im Wald im Sterben.

Sprecher: Peter Woy

9 CD, Spielzeit: 676 Minuten

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Der Autor der Geschichte versucht die Gradwanderung zwischen Thriller und Gruselgeschichte, welche ihm gut gelingt. Selbst der Umstand das dies alles in Deutschland spielt, und sogar noch in der Eifel, macht da keinen Knick in die Stimmung. Es müssen eben nicht immer die vernebelten Moore Englands oder die undurchdringlichen Wälder des amerikanischen Südwestens sein, wenn es um stimmungsvolle Gruselstorys geht – da hat die Eifel auch so ein paar nette Spielplätze aufzuweisen.

Geschickt wird in dieser Geschichte mit Glauben und Aberglauben jongliert. Der Hauptprotagonisten schlittert gerade in die übelste Zeit seines Lebens als der Zuhörer ihn kennen lernt. Von seinem Amt als Pfarrer entbunden, vom Glauben und der Überzeugung zu Gott abgefallen und mit einer Erbschaft gesegnet die er niemals wollte, gerät er in einen Strudel von Ereignissen die ihn, nicht zu Unrecht, an seinem Verstand zweifeln lassen. Ist alles real oder nur ein Trugbild seines Geistes der durch die letzten Tage überreizt ist und sich so nun versucht seelisch Luft zu machen?

Sind es übernatürliche Kräfte welche da ihr grausames Spiel mit Arved Winter treiben, oder stecken ganz natürliche Motivationen dahinter? Was hat es mit den beiden Katzen auf sich, die er als Erbe übernehmen musste? Für ihr Wohlergehen hat er zu sorgen, denn daran hängt das große, wenn auch alte, Haus, der kostspielige Nobelwagen und das beträchtliche Barvermögen der schrulligen alten Dame. Lydia Wonnegut, welche sich selbst zu Lebzeiten als praktizierende Hexe bezeichnet hatte, wollte es sich nicht nehmen lassen dem vom Glauben abgefallenen Pfarrer ihr ganzes weltliches Gut zu überschreiben. Nachdem Arved Winter in einer Predigt, welche Wonnegut selbst nicht gehört hatte da sie niemals eine Kirche betrat, seinen Glauben und die Existenz Gottes in Frage stellte, zog er sich damit nicht nur den Unwillen der Kirche sondern auch das Wohlwollen der alten Dame zu. Doch seit er die Erbschaft angetreten hat ist nichts mehr so wie früher und die sonderlichen Ereignisse häufen sich.

Arved Winter auf seinem Weg zu begleiten ist sehr spannend in Szene gesetzt und lässt den unbeteiligten Zuschauer mehrfach an der Motivation der meisten agierenden Personen zweifeln. Bis zum Schluss ist niemals so recht klar was wirklich geschieht, denn die meisten Ereignisse sind so surreal gehalten das sie echt oder auch genau so gut inszeniert sein könnten.

Wehe wenn er losgelassen…! Peter Woy spielt sich hier die Seele aus dem Leib und das diesmal sogar mit einer Technik die ihn nicht behindert und ihn sich regelrecht austoben lässt. Er flüstert, schreit, rezitiert, jammert, spuckt, heult, verhaspelt sich, stottert, schweigt und lebt die Figuren noch viel mehr aus, so wie ich es selten erlebt habe. Woys Stimme ist so erschreckend wandelbar das er vom halbtoten Psychologenfreund des Hauptakteurs bis hin zur zickig-dominanten Buchhändlerin wirklich alle Nuancen ausspielt, genaustens trifft und dabei scheinbar sogar noch einen riesigen Spaß hat. Er fällt vom distanzierten Erzählerton sofort weder in eine Figur hinein und zum Erzähler zurück ohne das es dabei auch nur den merkbarsten Übergang gibt. Dies konnte ich mehrfach bemerken da ich über Kopfhörer höre und bei diversen Wechseln das durchgängige Atemgeräusch deutlich zu vernehmen war und nicht geschnitten wurde.

Wer nun das Argument des österreichischen Akzents anführen mag, dem möchte ich entgegen halten das Woy dies bereits nach ein paar Absätzen so geschickt zu umspielen versteht das es nicht weiter auffällt, da er der Lesung soviel Eigendynamik verpasst das man sich über Akzente gar keine Gedanken macht. Einfühlsam, für alle Charaktere, Situationen und Orte, vermittelte Peter Woy mir die Illusion das ich mittendrin statt nur dabei gewesen bin. Wenn es dunkel und bedrohlich ist, so spricht er dunkel und bedrohlich – wenn die Sonne scheint, dann bekommt er selbst das stimmlich geregelt.

Ein Horrortrip der fast gänzlich ohne Splatter oder härtere Gangarten auskommt und durch sehr subtilen Grusel zu faszinieren weiß…

Thomas Rippert
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