So ruhet in Frieden

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Stockholm, 13. August 2002: Nach einer extremen Hitzewelle legt sich ein elektrisches Feld über die Stadt. Lampen können nicht mehr gelöscht, Maschinen nicht mehr ausgeschaltet werden. Die Menschen leiden unter mörderischen Kopfschmerzen, ein Chaos droht. Doch plötzlich ist alles wieder vorüber. Oder doch nicht? Irgendetwas ist verändert. Als der pensionierte Journalist Gustav Mahler einen Anruf aus dem nahegelegenen Krankenhaus bekommt, will er nicht glauben, was ihm berichtet wird: Die Toten seien erwacht …

Sprecher: Sascha Rothermund

Bearbeitete Fassung, 6 CD, Spielzeit: 445 Minuten

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Zombies. Eine Spezies der Nachtkreaturen die schon in der unterschiedlichsten Spielarten von den unterschiedlichsten Autoren ausgelebt wurde. Ob eiskalt kalkulierend mordende Bestien oder nur tumbe Bedrohung der Lebenden, viele Inkarnationen gab es schon und so fragt man sich ob es da noch etwas „neues“ geben kann. Es kann!

John Ajvide Lindquist bedient sich hier nur der Grundmaterie der Bestie „Zombie“ und verarbeitet sie so eigenwillig, wie er es mit dem Vampir bereits in „So finster die Nacht“ getan hat. Vom Zombie an sich ist in seine Toten nicht mehr viel übrig. Einzig und alleine der Fakt das sie tot sind und trotzdem leben wird von ihm benutzt. Diese Geschichte dreht sich mehr um die Reaktionen der Hinterbliebenen und die Dinge welche aus der Auferstehung von fast 2000 Verstorbenen resultieren. David, der Comedian, hat seine Frau bei einem Autounfall verloren und erlebt mit wie sie von den Toten aufersteht. Gustav Mahlers Enkel verstarb vor fast 2 Monaten und der ehemalige Journalist wird durch eine Reportage ein die Geschichte mit hinein gezogen und beschließt seinen Enkel zu exhumieren. Ilvi und ihre Enkelin Flora sind medial begabt und werden, kurz nach einer gewaltigen Sinneserscheinung, in die Geschehnisse geworfen als Ilvis verstorbener Mann wieder bei ihr auftaucht.

Doch sind all diese Toten nicht wie die bekannten Zombies, sie sind nicht aggressiv oder versuchen gar sich ihre Mitmenschen als Nahrungsquelle einzuverleiben. Sie reagieren bedingt auf ihre Umwelt und versuchen scheinbar ihr altes Leben wieder aufnehmen zu wollen. Die Bewohner Stockholms reagieren zuerst mit Panik und versuchen dann der Sache irgendwie Herr zu werden indem sie die Toten in einem Krankenhaus sammeln und studieren.

Lindquist beschäftigt sich hier weniger mit dem Phänomen Zombie an sich, als das er beschreibt wie die Menschen, welche mit ihren Wiederlebenden konfrontiert werden, reagieren. Einige versuchen diese zweite Chance zu nutzen und den geliebten Menschen wieder in ihr Leben zu integrieren, koste was es wolle. Andere reagieren in Panik und zerbrechen an der Konfrontation mit ihnen. Wieder andere versuchen das Geheimnis hinter der Auferstehung zu lösen und den Seelen Frieden zu bringen. All dies wird sehr düster, depressiv und eindringlich geschildert und die Versuche einen Toten ins normale Leben zu integrieren wirken nicht belustigend oder gar skuril, sondern eher verzweifelt und traurig. Zu gut wird die Gefühlswelt der Protagonisten ausgeleuchtet als das man sich ihr entziehen könnte, denn wer könnte sich davon frei sprechen eine geliebte Seele wieder bei sich haben zu wollen. Lindquist verstärkt diese Betrachtung der Dinge noch mehr indem er nicht Tote auferstehen lässt die nur noch ein Haufen Matsch sind. Er verstärkt die Wirkung noch zusätzlich da er den Zeitpunkt begrenzt und nur Tote belebt wie nicht länger als zwei Monate verstorben sind, also noch nicht vollkommen verwest und unkenntlich erscheinen.

Sascha Rothermund liest hier zwar nur vor, doch tut er dies so eindringlich und mit so viel Gefühl das es mir streckenweise kalt den Rücken herunter lief. Seine weiche Stimmlage und seine ruhige Art des Vorlesens schafft eine beklemmend düstere Atmosphäre, welche sich bis zum Ende hinzieht und mir beim zuhören mehr als einmal ein sehr ungutes und unbehagliches Gefühl bereitete. So wie Lindquist schriebt, so liest Rothermund vor – das trifft es am besten. Er spielt nicht, oder bezieht Position in der Geschichte, sondern bringt es so herüber das man sich selbst neben den Protagonisten wähnt, deren Gefühlsqualen miterlebt und sich mehrfach die Frage stellt wie man selbst in dieser Situation reagieren würde.

Kein Hörbuch für dunkle oder negative Tage, aber perfekt gelesen und mit solch einer unterschwelligen Wucht versehen, das es mir nicht möglich war größere Pausen einzulegen…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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