Pilgrim vs. Pilgrim – Kampf der (Radio)Kulturen

Pilgrim vs. Pilgrim. William Palmer vs. William Palmer. Briten vs. Schweizer. BBC vs. SRF. Paul Hilton vs. Rufus Beck. Radiohörspiel vs. Radiohörspiel.

Vergleichende Werbung ist in Deutschland per Gesetz verboten. So entgehen uns damit leider eine Menge humoriger Werbeideen, welche das eine Produkt subjektiv mit dem anderen Produkt vergleichen. Unser Verlust…

Hörspiele zu vergleichen ist jedoch nicht verboten und so möchte ich dies hiermit auch anhand des „Pilgrim“ – also seiner BBC-Inkarnation und deutschen Übersetzung vom SRF – vornehmen.

Nichts unterscheidet die Unterhaltungskulturen mehr als das landestypische Radiohörspiel und dessen Auslebung. Die Amerikaner mögen es kurz, laut, trivial und knackig im Abgang. Die Briten lieben es ein wenig ausführlicher und intellektueller, wenn auch stets mit viel Liebe für das akustische Detail und die kurzweilige Umsetzung jedweden Stoffes. Die deutschsprachigen Länder lieben es schwer, hochgradig intellektuell verkrampft, mit erhobenem Zeigefinger, stets mit einer Art erzieherischer Moral vermengt und zumeist nur steril inszeniert.

Somit treffen also Urgewalten aufeinander, wenn die eine Hörspielkultur versucht eine Produktion der anderen Kultur zu assimilieren.

Zum bessern Verständnis, worum es bei Pilgrim überhaupt geht, hier der Waschzettel des SRF-Hörspiels:

„Pilgrim erzählt die Geschichte von William Palmer, der im Jahr 1185 auf der Straße nach Canterbury vom König der Feen zur Unsterblichkeit verflucht wurde, weil er die Gegenwart der „Anderen Welt“ leugnete. Seither wandert Palmer alias Pilgrim hin und her zwischen den Welten der Menschen und der Feen, auf der stetigen Suche nach seiner Sterblichkeit.„

BBC-vs-SRFWas als BBC Radio 4 Afternoon Drama begann, hat es mittlerweile auf fünf Staffeln (2008 – 2014) geschafft – Ende offen. Da die BBC nicht auf gut Glück produziert, setzt eine solche Erfolgsgeschichte schon eine recht hohe Anzahl an Konsumenten vor den Radiogeräten voraus, was auch die recht ansehnliche Zahl der Wiederholungen und die Verfügbarkeit der Serie über Audible noch untermauert.

Nun muss man sich vor Augen führen das, wenn man die Beschreibungen der einzelnen Folgen im Original liest, sich die Serie als urbritisches Trockenfantasyspektakel mit überzogenen Quietschcharakteren darstellt, was es jedoch definitiv nicht ist.

Die Geschichte um William Palmer, welcher seines Lebens auf schmerzhafteste Weise überdrüssig ist, ist die Art Geschichte welche man erhalten würde, wäre es möglich Blade Runner mit Harry Potter zu kreuzen. Düster, bedrückend und stets mit einem nicht wirklich nettem Ausgang gesegnet, sind die einzelnen Abenteuer des Pilgers in der Zeit trotzdem Unterhaltung pur, welche den Hörer nicht mit dem Wunsch zurück lässt sich selbst die Pulsadern zu öffnen sondern eher dem Verlangen nach mehr.

PilgrimageAuch wenn alles das Palmer zu umgeben scheint eher dunkel ist, so wird dies durch die gekonnt gegenseitig ausgerichtete Inszenierung wieder ausgeglichen. Ein wahrhaft bildhaftes Sounddesign malt die jeweiligen Szenen aus und die darin agierenden Schauspieler leiden zwar – bedingt durch die Ereignisse – doch hört man ihren Interpretationen der Figuren an, das es einen Ausweg geben muss – wenn auch ein nicht wirklich zufriedenstellender.

Alle Episoden der BBC-Produktion rangieren im knapp über 40 Minuten Spielzeit-Rang. Das ist für deutsche Verhältnisse nicht wirklich lang, reicht aber vollkommen aus um Feeling und Story eindrucksvoll zu transportieren.

Die Episoden der SRF-Version bewegen sich im knapp über 50 Minuten Spielzeit-Rang. So sind die jeweiligen Hörspiele dann auch einmal neun Minuten, einmal sechs Minuten und einmal nur eine Minute länger als die Originalvorlagen. Dies will nichts über die Qualität der Hörspiele selbst aussagen, will aber doch wie eine Art Hinweis auf die gemütlichere Gangart der deutschsprachigen Version wirken.

Obwohl sich die Eidgenossen fast schon sklavisch an die Vorgabe des Originals an sich gehalten haben, hielten sie es aber scheinbar für notwendig die erste Episode der Series One komplett zu vergessen.

Dark-Dog„He Who Wouldn’t Valiant Be„ schildert die Geschichte in der William Palmer zum Besitzer eines Buchladens wird und im schrecklichen Verlust eines Menschen wieder einmal seine Ohnmacht den ihn umgebenden Mächten gegenüber realisieren muss. Diese Episode dient als Einstieg in das palmersche Universum, meiner Meinung nach, wesentlich besser als die von der SRF gewählte „Then Fancies Flee Away“ (SRF = Das Haus der Dornen), da sie die Verzweiflung und das Todesverlangen Palmers noch intensiver illustriert.

Die folgenden „El Vagabundo del Diablo“ (Series 1, Episode 3 – No Foes Shall Stay His Might) und „Die Schläfer“ (Series 1, Episode 4 – Gainst All Disaster) sind nur Vertiefungen des Charakters und dessen Umwelt. Wer nun jedoch „He Who Wouldn’t Valiant Be„ nicht kennt, wird sicherlich auch nicht vollkommen in den Genuss der Tiefe der Erzählungen des Sebastian Baczkiewicz kommen, denn irgendwie ist der SRF-Palmer schon vollständig erschaffen, ohne das man ihn wirklich erschaffen hat.

Meine Meinung zur ersten Box des SRF kann man hier nachlesen, denn ich beziehe mich im Folgenden darauf…

Alles was die Version der BBC ist, ist die Version des SRF nicht, leider. Man hat die Möglichkeiten der Geschichten komplett ungenutzt stehen lassen und sich lieber darauf besonnen, wie es ist ein klassisches Radiohörspiel zu inszenieren. Die BBC-Version zeigt, das man auch solch eher bedrückend angehauchten Geschichten auf einem sehr unterhaltendem Niveau präsentieren kann, ohne den Gehalt zu verwässern oder es als Hörspiel für Erwachsene unkenntlich zu machen.

Hilton-vs-BeckRufus Becks „Palmer“ kann nicht im geringsten mit dem lebendig agierenden Paul Hilton mithalten. Klar, auch Hiltons „Palmer“ will sterben und bettelt darum, doch ist er sich bewusst das er vorher noch ein paar Dinge in die richtige Richtung lenken muss. Becks „Palmer“ ist hingegen bereits spielerisch verstorben, scheint dies nur irgendwie vergessen zu haben.

Auch ist die Sprache der englischen Produktion moderner. Die deutsche Übersetzung hingegen wirkt angestrengt korrekt um bloß nicht lebendig zu wirken. Und selbst wenn mal eine Silbe verschluckt wird, scheint es eher geplant als improvisiert.

Ich will die Produktion des SRF nicht in Grund und Boden stampfen, doch man hat es nicht verstanden dem Original das abzuringen, was es so hörbar macht.

Wie bereits oben erwähnt, so erkennt man deutlich die jeweiligen Präferenzen der Radiohörspiele der verschiedenen Länder. Da ich mich jedoch eher zu den englischsprachigen Ausgaben der Radiodarbietungen hingezogen fühle – wenige deutsche Radiohörspiele ausgenommen – konnte mich der Pilger nicht davon überzeugen wirklich nur ein eingedeutschter Pilgrim zu sein. Leider!

Ich hoffte und wünschte es wäre anders, denn dem deutschsprachigen Radiohörspiel würde eine Verjüngungskur, welche man sich im Ausland abschauen kann, gut zu Ohren stehen. Geschichten sind genug da, um unterhaltend umgesetzt zu werden, doch müssen wir uns von der Unterteilung in E und U zuerst einmal lösen um eine Weiterentwicklung überhaupt möglich zu machen. Möge man es am kommenden Palmer des SRFversuchen…

Soundsystem-BLAU

Thomas Rippert
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