Der Rezensenten-Talk zwischen G. Walt und Luke Danes (Reloaded)

Im März des Jahres 2013 kamen mein Freund Stephan Gewalt, auch bekannt als „G. Walt“, und ich darüber überein mal eine Unterhaltung zwischen zwei Rezensenten schriftlich festzuhalten und sie dann im Zauberspiegel und auf Lukes Meinung gleichzeitig zu veröffentlichen.

Irgendwie scheint mir das mittlerweile eine Ewigkeit her zu sein, doch als ich die Beiträge soeben in einem Ordner wieder fand, dachte ich mir, das es witzig wäre das ganze Ding nochmals unkorrigiert und ungeschönt zu veröffentlichen.

Also denn, viel Vergnügen…

TrennlinieWenn zwei Hörspielrezensenten sich auf Facebook treffen, kommt schon mal so mancher Talk zustande, der u.a. Dinge ans Licht bringt, die auch einmal gesagt werden müssen. Ist es nicht tatsächlich so, das Hörspiele zum Großteil nur im Internet diskutiert werden? Ist das Nischenprodukt nicht gerade durch die kleinen Label viel zu überbewertet? Wo treffen diese Aussagen zu – und warum? Ein Gespräch von zwei Leuten, die sich ebenfalls nicht so ernst nehmen und den Markt seit Jahren im Auge haben.

Die Wirklichkeit ist sehr ernüchternd. Zumindest für Hörspielfans, die sich nur allzu gerne in Foren tummeln und auf Events, die einem Medium huldigen was wirklich nur sehr klein und kaum Beachtung findend stattfindet: Das Erwachsenenhörspiel.

Teil 1: Über nervige Kleinverleger

G. Walt: Siehst du in Deiner Rezensentenarbeit Unterschiede zwischen großen und kleinen Labeln was den Umgang angeht?

Thomas Rippert: Ja, das ist leider so. Im großen und ganzen hat sich der Umgang nicht geändert, doch nach meiner Pause von Mitte 2010 bis Mai 2012 hat sich in den Pressestellen eine Menge bewegt. Viele der alten Bekannten haben entweder den Verlag gewechselt, oder sind ganz aus dem Bereich verschwunden.

Der Umgang mit den Big Playern hat sich auch insofern geändert, das die ehemaligen Giganten, wie z.B. Hörverlag und Lübbe, sich zum Großteil auf Hörbücher und sichere Produktionen, wie Auflagen von Radiohörspielen, verlegt haben – und da zumeist Krimis.

Der Umgangston ist bei den großen Labeln nach wie vor gut und man arbeitet zusammen, ohne das sich da Eitelkeiten heraus kristallisieren könnten. Viele der Kleinverlage sind ebenfalls bemüht die damalige Zusammenarbeit so weiter zu führen, wie ich sie damals leider unterbrechen musste.

Das kleinere Verlage mit Rezensionsexemplaren „knausern“, habe ich bisher nur untergeordnet mitbekommen. Es wird zwar teilweise auf Anfragen gar nicht erst geantwortet, doch das nehme ich nicht krumm, denn ich frage nur einmal an – insofern das Label etwas „auszusagen“ hat.

Der größte Knackpunkt der Kleinverlage ist deren Kritikfähigkeit, welche oft nicht vorhanden ist. Würde ich auf Bitten wie „Wenn Dir das Hörspiel nicht gefällt, dann schreibe keine Besprechung dazu. Wenn es dir gefällt dann poste die Besprechung doch bitte hier und hier und hier!“ eingehen, würde ich ratz fatz meine Glaubwürdigkeit verlieren.

Ich verstehe vollkommen, das eine „schlechte Presse“ die Verkäufe nach unten schrauben kann, doch wer sich nicht sicher ist ob er kauft, macht sich eh selbst ein Bild. Solche Label meide ich mittlerweile, da ich cholerische Anrufe oder ellenlange Selbstdarstellungsmails vermeiden möchte.

Aber ich denke das Du solche Erfahrungen auch gemacht hast, oder?

TrennlinieG. Walt: Ja, diese Erfahrungen musste ich leider auch machen. Und besonders die Kleinen der Kleinsten tun sich dabei hervor. Deswegen habe ich auch Abstand davon genommen alles zu rezensieren. Das muss man ja auch nicht. Erstaunlich ist nur, dass ausgerechnet die Kleinlabel ganz große Ansprüche haben was Rezensionen angeht. Sie sollen nicht zu kurz sein, und es dürfen keine Backgrounds ausgeplaudert werden. Auch darf es nie vorkommen, dass man sich eine eigene Meinung bildet. Das nennt man dann schon mal Tatsachenverdrehung oder Mutmaßung. Ich will nicht alle Kleinlabel über einen Kamm scheren, aber bei vielen ist das leider so. Auch von mir einst sehr geschätzte Kleinproduzenten tun sich da mittlerweile hervor.

Thomas Rippert: Ich muss ehrlich zugeben dass sich da keine großen Enttäuschungen bei mir eingestellt haben. Zumeist sieht man schon am Umgang der Produzenten mit ihren Käufern in den Hörspielforen aus welcher Richtung der Wind weht.

Ich nenne einfach nur einmal Simeon Hrissomallis, der stets mit offenen Karten gespielt hat, dies immer noch tut und dafür in den Foren Dresche bezieht. Produzenten, welche Hörspielforenteammitglieder mit kostenlosen Exemplaren versorgen und mit Honig nicht sparen, haben es da leichter – da wird dann ALLES über den Klee gelobt.

Aber wie Du schon so richtig schreibst, ist eine eigene Meinung nicht mehr so stark gefragt. Doch muss man auch hier differenzieren, denn ich unterscheide zwischen einer Rezension bestehend aus Riesencover, Waschzettel, Inhaltsangabe und 3 Zeilen Interpretation des Hörers und einer fundierten Rezension wie sie z.B. von Kollegen wie dem Hörspatz oder der Reziratte geschrieben werden – die Selbstdarsteller mit den „Boah eys“ lasse ich einfach einmal vorne weg, denn man muss nicht provozieren um seine Meinung zu verdeutlichen und aufzufallen.

G. Walt: Richtig. Enttäuschen tut mich aber auch nichts mehr, und die Kuschelarien in den Foren werden mir langsam zu warm. Doch zu den Foren kommen wir noch.
TrennlinieTeil 2: Über Foren und Real-Life

G. Walt: Lass uns doch noch mal anknüpfen an unsere letzte Unterhaltung. Was sind große und kleine Label? Ist das an Abverkäufen festzumachen oder auch anderen Dingen wie VÖ-Politik und so weiter?

Thomas Rippert: Schwer zu unterscheiden. Bei einem kleinen Label ohne großen Verwaltungwasserkopf kann ein geringerer Abverkauf schon den Break-Even-Point bedeuten. Bei einem großen Label wären genau dieselben Mengen der Todesstoß. An den Abverkäufen kann man es sicher nicht ausschließlich festmachen.

Auch die VÖ-Politik ist da nicht wirklich ein Maß. Es gibt Kleinlabel, die hauen Folgen raus wie Karnickel die Kinder, und große Label, die Jahrespausen zwischen Episoden als gegeben hinnehmen.

Ich denke, man kann eher zwischen professionellen Labeln und denen, die sich eher im Halbschatten bewegen, unterscheiden.

TrennlinieG. Walt: Das hätte ich jetzt nicht besser formulieren können. Halbschatten gefällt mir gut. Womit wir beim nächsten Thema wären. Schöner Übergang.

In den Foren wird ja häufig jedes neue Produkt beworben und umschwärmt. Der riesige Erfolg eines Produkts wird oft in den Foren herauf beschworen. Ein wenig Augenwischerei. Denn die paar aktiven Forenuser können doch wohl nicht repräsentativ sein für den Erfolg eines Produkts …

Thomas Rippert: Definitiv nicht. Die Forenuser stellen einen ganz geringen Teil dessen dar, was die Hörspielmacher nach wie vor am Leben erhält. Ob eine Produktion Erfolg hat oder nicht, wird immer noch mit den Füssen der Real-Life-Käufer in den Medienmärkten und Onlineshoppingzentren bestimmt.

Und hier ist die „Macht“ des Vertriebs nicht zu unterschätzen. Wer da hart am Ball bleibt, verkauft auch sein Label. Als sich AL!VE selbst ein Label wie Pandoras Play ins Boot holte, war klar, dass dies nicht lange gut gehen konnte. Nur die homogene Mischung aus professioneller Produktion und flächendeckendem Vertrieb macht den Erfolg längerfristig haltbar.

Auch sollte man nicht vergessen, dass gerade in den Foren von kleineren Labeln gerne Zückerchen an die Besatzung des Teams verteilt werden, um Diskussionen zu generieren. Was vollkommen legitim ist, sich aber in der Glaubwürdigkeit eines Werbeplakates bewegt.
TrennlinieG. Walt: Es gibt aber auch kleine Labels, die sich nicht gern selbst an Diskussionen beteiligen, oder die Foren gar verteufeln. Mir wurde schon gesagt, dass man nicht gerne Rezensionen in Foren liest oder in Portalen, die mit Foren zusammenarbeiten. Der Geist geht um, dass in den Foren vieles schlechtgeredet wird. Ich denke jedoch, anders herum wird ein Schuh daraus. Sobald etwas schlechtgeredet oder kritisiert wird, dann wird derjenige User in Grund und Boden diskutiert, der den Stein ins Rollen brachte. Man will nur Schönfärberei.

Thomas Rippert: Jeder Produzent ist gut beraten, sich nicht an Forendiskussionen zu beteiligen, denn sie/er kann nur verlieren. Wenn man bedenkt, auch wenn dies im deutschen Hörspielwald nicht der Fall ist, dass die Fans des Films „Zombieland“ es geschafft haben, durch Shitstorms die weitere Produktion der TV-Serie zu beenden – als die ZL eigentlich einmal angedacht gewesen ist.

Der Fan an sich hat schon ein latentes Maß an Macht, nur trifft das beim HSP nicht so unbedingt zu. Der Großteil der Käufer von DDF und TKKG wissen noch nicht einmal, dass es Foren gibt.
Ich sehe beides – Schönrederei und Shitstorms – in gleichem Maße vorhanden. Es ist ein Armutszeugnis, wenn sich ein HSP-Macher in Foren unter Nicknames anmeldet, um die Produkte der Kollegen in Grund und Boden zu shitten oder solche Dinge am Amazonas in Bewertungen macht.

Man sieht eigentlich schon genau, wo Qualität produziert wird, denn das sind die Produktionen, welche sich neben den Übermächten DDF & TKKG halten können, der Rest geht nach dem Crash schnell unter. Wobei man das eigentlich wieder durch die Sache mit dem Mini-Break-Even-Point für Kleinlabel sofort wieder ad absurdum führen kann. Das ist die Schlange, die den eigenen Schwanz frisst.

TrennlinieG. Walt: Sind Foren für dich noch interessant? Ich meine, man muss nicht alle über ein Kamm scheren. Aber besuchst du sie noch regelmäßig? Die Label sehen Rezis ja lieber beim Amazonas. Und Reziportale waren Foren ja nie. Ich besuche sie selten. Beteilige mich nur, wenn ich den Drang spüre, etwas sagen zu müssen. Schnell wird klar, dass vieles gar nicht gehört werden will.

Thomas Rippert: Ich besuche keine Foren mehr und lese nur noch mit, wenn man mich auf einen Thread hinweist. In der Landschaft hat sich nicht wirklich was geändert und es wird nach wie vor zu viel Politik getrieben.

Viele Label haben regelrechte Hausforen, welche exclusiv mit News versorgt werden. Als ich selbst noch ein Forum betrieben habe, war das für mich auch erstrebenswert, doch mittlerweile interessiert mich das nicht mehr.

Für mich hat Facebook die Foren abgelöst, allerdings ist Facebook keine Plattform, auf der man Rezensionen veröffentlichen sollte.

Und mittlerweile wurde doch auch eigentlich alles schon gesagt, irgendwie, oder?

TrennlinieTeil 3: Über die Absatzlüge

G. Walt: Zu den Hörspielen. Es gibt viele Produkte die zu Recht dort sind wo sie sind. John Sinclair ist bei der Gfk weit vorne. Dorian Hunter hingegen wird meiner Meinung nach überbewertet und rangiert bei der Gfk viel wieter hinten. Warum wird um die Verkaufzahlen ein so großes Geheimnis gemacht? Genaue Zahlen sagt man ja nie, aber die große Richtung wäre ein Schritt zu einer Transparenz, die sich zumindest Online-Redakteuere wünschen. Denn dann bräuchte man keinen Mist zu schreiben, sondern sich auf Fakten stützen und die Hörspiele stünden mehr im Fokus.

Thomas Rippert: Nicht wirklich. Wer lässt sich schon gerne in den Hals kucken, wenn die Mandeln entzündet sind? Niedrige Verkaufszahlen werden mit der Qualität des Produktes über einen Kamm geschoren. Also: Wenige Verkäufe = Minderwertiges Produkt. Das dies absoluter Schwachsinn ist, sollte klar sein, denn wenn der Vertrieb mies ist, bringt auch das genialste Hörspiel nichts.

Gerade Sinclair hat, meiner Meinung nach, der Teamwechsel gut getan und die Hypehörspiele der Vergangenheit sind mittlerweile genau das – Vergangenheit eben. Doch ist die Fanbase nicht in der Lage eine Änderung nach 12 Jahren emotional zu verkraften. Mir gefällt, was Erhardt da macht.

Hunter sollte eigentlich weiter vorne sein, auch wenn die Serie die Innovation bereits vor längerer Zeit eingebüßt hat. Hunter ist die „Drecksau“ (das meine ich positiv) unter den Geisterjägern und dies nicht erst seit der Hörspielzeit. Da wo Sinclair den jugendlicheren Hörer abdeckt, kann Hunter den erwachsenen Hörer locken – auch wenn das ein wenig zu grob pauschalisiert ist. Und das Hunter sich weniger verkauft liegt an der Grundmentalität der Deutschen – Hörspiele sind etwas für Kinder. Da kann man in den Foren aufschreien wie man will, aber die Masse der Deutschen sieht das nach wie vor so.
TrennlinieG. Walt: Sinclair ist ja auch nicht für Kinder und auch Gabriel Burns nicht (ebenfalls weit vorn bei der Gfk). Doch wie dem auch sei – Du magst wohl momentan den Krimi lieber?

Thomas Rippert: Ich mag überhaupt keine Krimis, wenn man von Psychothrillern und extrem menschlich abgründigen Storys absieht! Ein Sherlock Holmes oder eine Lady Bedfort erzeugt bei mir Hirnblutungen!
TrennlinieG. Walt: Dann habe ich irgendetwas falsches von dir gelesen. Was sind für dich im Moment Favoriten?

Thomas Rippert: Meine Favoriten resultieren im Moment aus der amerikanischen Machart heraus, das Audio Drama kein Hirnbluten erzeugen sollte, sondern eher Unterhaltung sein. It´s Fun, not Brain Surgery!

Wenn wir aber hier eine deutschsprachige Begrenzung machen, dann sind es die Produktionen von R&B Company und Zauberstern – auch wenn man als Rezensent gar kein Lieblingslabel haben sollte… eigentlich.

Und die Sachen von Dane Rahlmeyer, welche aber leider fast ausschließlich bei unvorteilhaften Labeln erscheinen und somit kaum zur Verfügung stehen.
TrennlinieG. Walt: Bei R&B kann ich zustimmen. Ansonsten gehört mein Interesse aber im Moment weniger den Serien, sondern mehr den klassischen Radiohörspielen. Ich will da demnächst einiges machen. Mal sehen an was ich so ran komme.

Luke Danes: Radiohörspiel – das zweischneidige Schwert…
TrennlinieG. Walt: Wohl wahr. Den kommerziellen Anspruch an Hörspiele muss man hier ausgeblenden. Und gerade früher wurde da vieles anders gemacht. Nicht jedermanns Sache aber ich finde es interessant. Heutige kommerzielle Produkte gehören weiter zu meinem Repoirtare, aber ich schränke mich ein um eine feine Linie zu finden. Alles zu hören wird anstrengend und ist auch nicht gut für die Ohren. Aber du kennst ja auch die Hörspiele – was sage ich also.

Luke Danes: Ich finde das gerade das Radio sich selber mit solcher Vehemenz kastriert, das es nicht zu ertragen ist.

Wenn man da vergleicht – so wie ich es jetzt mit „Der Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“ getan habe, so lebt die englische Version und atmet Tolkiens Vermächtnis aus, während die deutsche Variante mit verkopftem Kifferblick daher kommt.

Lebendige Produktionen wie „Vor Sonnenaufgang“ z.B. sind weiterhin Mangelware und heutzutage steht immer noch der Anspruch edukativer (gibt´s das Wort?) Kunst im Vordergrund, statt wirklich nur unterhalten zu wollen.

G. Walt: Diese Mangelware suche ich.

Ende der Unterhaltung…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
Letzte Artikel von Thomas Rippert (Alle anzeigen)