„Ich habe übrigens ein Hörbuch gemacht!“
…sagt mir meine alte Bekannten aus der Hörspielszene, Oda Plein, einfach mal so nebenbei während eines Facebookchats. Ich so: „Wie, was?“. Sie so: „Für den Fabylon Verlag, Uschi Zietsch, weißte doch – Perry Rhodan und so, hat über 40 Stunden Spielzeit das Teil!“. Ich so: „Echt? Krass! Haben will!“. „Sie so: „Ok!“
Der bereits erwähnte Fabylon Verlag wurde 1987 von Uschi Zietsch, mir besser bekannt als „Susan Schwartz“ aus Maddrax- und Perry Rhodan-Zeiten, und ihrem Mann gegründet um – wie ich vermute – Romane zu veröffentlichen, welche die Big Player scheinbar nicht bringen wollten. Wohl getan, denn der Fabylon kann mittlerweile auf eine recht große Palette interessanter Werke blicken, welche dem Leser phantastischer Literatur sonst nicht zugänglich gemacht worden wären. Verlust für die Big Player…
Unter anderem finden sich bei Fabylon auch die „Chroniken von Waldsee“ – nein nicht „Erdsee“, hat auch nicht im entferntesten damit zu tun – deren erste drei Bände namens „Dämonenblut“, „Nachtfeuer“ und „Perlmond“ nun auch vertont wurden… als Lesung… mit Musik… Regie, Schnitt und Produktion Oda Plein… meine alte Bekannte!
„Na, das wird er jetzt aber alles ganz arg tollig finden und *maaaag*, weil das jemand gemacht hat den er kennt!“, löst sich jetzt sicher in diversen Oberstuben aus den Neuronen. Doch… Falsch! Ich mag´s, weil´s gut ist und nicht weil ich die Oda kenne! Das würde die mir auch nie vergeben, wenn ich ihr unkritische Zuckerbrötchen vorwerfen würde.
Zum Inhalt der Geschichte:
Vor langer Zeit wurde ein magisches Artefakt gefunden, das ungeheure Kräfte birgt. Nur der Zwiegespaltene, so heißt es, kann es aktivieren – doch niemand weiß, was dann geschieht. Trotzdem wollen verschiedene Seiten und Völker das Artefakt für sich beanspruchen, und der jahrtausendelange Kampf darum entbrennt. In einer zerstörerischen Schlacht zerbricht das Artefakt in sieben Teile. Sechs Teile werden durch einen Sturm davongewirbelt und finden Hüter. Der siebte Splitter geht verloren. Doch das beendet den Kampf keineswegs, und auch die Suche nach dem Zwiegespaltenen wird fortgesetzt. Wer mag es sein? Wird er die Kräfte zum Guten oder zum Schlechten verwenden?
Klingt bekannt?
Ist es auch! Uschi Zietsch eröffnet hier keine Welten, die noch nie ein Ohr zuvor betreten hat. Viele bekannte Elemente, welche man schon hier und dort gelesen hat, sind schnell zu finden und das ist auch nicht wirklich schlimm, denn nur dem Wenigleser wird auf seiner Reise durch die Fantasy noch etwas begegnen das er niemals erblickt hat. Jede Leseratte wird schnell fündig und sich darüber auch nicht aufregen, denn die Zusammenfügung des Bekannten macht die Unterhaltung aus. Und das macht die liebe Uschi gut!
Wer sich hier also die Quadratur des Kreises erhofft zu finden, der suche beständig weiter – denn die findet er nicht mehr, egal wo. Doch auch wenn hier wieder die Quest den Sinn der ganzen Sache ausmacht und ein Coming of Age mit einher geht, so weiß Uschi Zietsch es dennoch so spannend und interessant zu machen, das man am Ball/Auge/Ohr bleibt. Immerhin ist sie keine Anfängerin und weiß was sie tut. Definitiv keine deutsche Einhornstreichler-Fantasy mit „Schatten und süßes Wasser“-Touch.
Und jetzt, Ohren auf und Augen zu…
Christian Senger! So heißt der Mann, der einem über 40 Stunden hinweg erzählt was da so eigentlich alles vor sich geht, in und um den Waldsee herum. War der Name mir unbekannt, so war die Stimme es ebenfalls. Doch was er abliefert und sich traut zu intonieren ist nicht unangenehm anzuhören.
Seine relativ jung klingende Stimme ist sehr weich und intensiv. Die Betonungen sitzen und er gibt sich Mühe jeder Figur einen eigene Charakter zu verleihen. Das gelingt ganz gut, doch ist es stets Christian Senger, der da einen Charakter spricht und nicht die Figur selbst, welche eigenständig agiert. Die Qualität eines Stefan Kaminski erreicht er nicht, was auch zu fantastisch wäre, und auch an einen Rufus Beck oder Volker Niederfahrenhorst reicht er nicht heran. Doch trotz alledem macht er einen wirklich guten Job und man hat das Gefühl für die Welt und deren Lebewesen gut audio-optisch im Griff, zwecks Kopfkinomomenten.
Es ist nicht wirklich einfach jemanden akustisch als so sympathisch zu empfinden um vierzig Stunden seines Lebens mit ihm verbringen zu wollen, doch beim Herrn Senger geht das ganz fabylonhaft!
Ach, wäre doch mehr Klang zu finden…
Wer mehr als nur Stimme möchte, der bekommt auch das. Die zu findende Musik ist absolut phantastisch und ich hätte nichts dagegen gehabt sie als Komplettuntermalung der gesamten Lesung zu hören. Alleine schon das Introthema bietet so viel Klangkörper, das man sich direkt in die gewisse Stimmung versetzt fühlt, die es braucht um der Lesung ungestört die volle Aufmerksamkeit zu schenken.
Jean-Pierre Böhm, so der Name des Musikus, scheint kein unbeschriebenes Blatt in der Musikszene zu sein, doch kam er für mich so weiß daher wie Christian Senger. Wie er hier ohrdrucksvoll beweist, muss man nicht immer den bekannten Namen haben, um gute Musik zu machen, welche mit scheinbar einer Menge Einfühlungsvermögen für Fantasy umgesetzt wurde.
Und da war dann noch…
…derjenige von dem man am wenigsten hört und über den man am wenigsten spricht, der aber die meiste Arbeit an allem hat: Der Regisseur/Cutter/Pruduzent.
Oda ist besessen, soviel weiß ich. Besessen von Fantasy. Besessen von glaubhaften Welten und deren nachvollziehbarer Umsetzung. Besessen davon alles und noch mehr zu geben, bei dem was man macht. Und Oda ist nicht auf den Mund gefallen, was Selbstkritik und Situationsreflektion betrifft.
All dies merkt man dem Hörbuch an, denn es schwankt nicht ein einziges Mal in seinen Festen und hält den Kurs so straight, das man beim Wiedereinstieg nicht das Gefühl hat weg gewesen zu sein, oder das der Sprecher eine Pause gemacht hat
Und jetzt?
Jetzt zähle ich mal pro und contra auf!
Pro: Guter Sprecher, geniale Musik, straffe Regie mit Feeling für´s Werk! Was will man mehr?
Contra: Zu lang!
Mein lieber Schollie, vierzig Stunden sind Hardcore, zumindest für einen Kurzhörspielfreund amerikanischer Prägung wie mich.
Manchmal kam mir der Gedanke, das es sicher alles sehr gut gemeint war, doch ich hätte ein paar Kürzungen als nicht wirklich schlimm empfunden. Es muss mächtig gekürzt worden sein, das Originalwerk besteht aus mehr als 1600 Seiten, doch ein paar Dinge hätten noch entfernt werden können um alles ein wenig zu straffen. Was? Das sag ich nicht! Das muss jeder für sich selbst entscheiden!
Syllogimus…
Viel Werk, viel Ehr? Ich hoffe es doch, denn diese Hörbuchproduktion zeigt wieder einmal wie gerade „Unbekannte“ es verstehen Besseres zu leisten, als die verbrauchten Namen es viel zu oft abliefern. Der Biss hinter der ganzen Sache ist hörbar und auch der Wille es gut zu machen – welchen den Hörbuch-Fließbändern wie z.B. Audible vollkommen abhanden gekommen ist.
Wer Zeit hat und auch Muße sein eigen nennen kann, der mache sich die „Mühe“ und begebe sich nach Waldsee. Ich denke nicht, das sie/er es bereuen wird.
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