Moby Dick (Baumhaus)

Moby-Dick-Baumhaus

Am Weihnachtstag 1849 verlässt der Walfänger Pequod die Insel Nantucket, 25 Meilen vor Neuengland. Mit an Bord: Matrose Ishmael, dem die Weltliteratur einen der berühmtesten ersten Sätze eines Romans verdankt: „Nennt mich Ishmael“ heißt es in Herman Melvilles „Moby Dick“. Ishmael fährt unter dem Kommando von Kapitän Ahab. Zunächst bleibt der rätselhafte Kapitän in seiner Kajüte, doch bald nagelt er eine Golddublone an den Mast. Es ist die Belohnung für den, der Moby Dick, den weißen Wal, sichtet. Er allein ist Ahabs Ziel – ein Ziel der Rache. Denn Ahab hat durch den gigantischen Wal sein Bein verloren. Deshalb will er ihn zur Strecke bringen. Ishmael wird die Jagd als Einziger überleben.

Sprecherin: Christian Brückner,

Komplettlesung, 26 CD, Spielzeit: 1080 Minuten

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Die Geschichte um den Matrosen Ishmael und den Kapitän der Pequod ist hinlänglich bekannt. Also möchte ich mich jetzt auch nicht darin verrennen sie nochmals zu wiederholen.

Da wo die anderen Produktionen sich mit der Cutschere bemüht haben das Mammutwerk Melvilles so zu kürzen das es auch noch Sinn ergibt, braucht diese Lesung keine Kürzung. Hier geht man die ganze lange Strecke, vom ersten bis zum letzten Wort der Printvorlage.

Nicht nur die spannenden Momente werden dem Zuhörer angeboten, er bekommt auch alles andere was Melvilles Klassiker ausmacht mit voller Breitseite vor den Bug geknallt. Ellenlange Beschreibungen über die Walarten und deren Bestimmung sowie den Walfang und dessen Methodik sind ebenso an der Tagesordnung wie die Schilderung des weiteren Verarbeitens des Walkadavers in allen Einzelteilen.

Auch geht Melville recht intensiv auf dem Umstand ein wie sich der Walfang auf das Ökosystem des Meeres auswirken wird, was um so erstaunlicher ist da dieses Werk im Jahr 1851 erschien und es recht unwahrscheinlich ist das sich die Auswirkungen zu diesem Zeitpunkt bereits bewusst in den Köpfen der Menschen festgesetzt hatten. So kann man Meliville denn auch als eine Art von Ökovisionär ansehen der sicher mit diesen Darstellungen auch ein wenig seine Landsleute wecken wollte.

Doch nicht nur das kann den Zuhörer fesseln, wenn er mag. Das Tagesgeschehen auf dem Walfänger wird von Melville ebenfalls sehr eindrucksvoll und überzeugend dargestellt. Ich denke das sich der gute Mann sicher vorher sehr ausführlich informiert hat, zumindest macht es den Anschein.

Alle Nebenstrecken findet man hier akustisch belebt. Melville befasste sich auch recht genau mit den Vorgeschichten seiner Protagonisten und deren Religionsglauben, an welche Inkarnation Gottes auch immer. So fließt also auch eine Menge an religiösen Ansichten aller Arten mit in die Geschichte ein und auch das typische Sittengemälde wurde nicht vergessen, da sich nicht jeder moralisch dem anderen anglich und die Kluft zwischen den Bildungsgraden auf der Pequod doch sehr tief war.

Friedhelm Rathjens Neuübersetzung, aus dem Jahr 2004, hat es in gedruckter Version auf fast 900 Seiten geschafft, was sich doch von den bisherigen Printversionen unterscheidet und etwas umfangreicher ausgefallen ist als bisher. Auch mutet seine Sprach- und Wortwahl teilweise ein wenig skuril an, was dem Grundwerk aber nicht schadet, ganz im Gegenteil – es wirkt somit irgendwie authentischer und zur Zeit der Erzählung harmonischer. Er zollt dem Originaltext großen Respekt und bewegt sich sehr nah an der Urvorlage und dessen teilweise recht rauer Grundsprache. Diese Übersetzung gilt auch als die werksgetreuste Fassung, da in vielen anderen – von mittlerweile 11 insgesamt, die erste von 1924 – das ganze zu viel geglättet wurde und somit auch sprachlich recht verfremdet.

Von den Hörbüchern die ich kenne, die Hörspiele mal ganz beiseite genommen, orientiert sich nur noch die Version von der Deutschen Grammophon sehr genau an der Grundvorlage und versucht das Buch komplett einzufangen. Doch wo Rolf Boysen mit Wucht und akustische Brachialgewalt zu Werke geht, differenziert Christian Brückner seine Version.

Er geht mit viel Schalk im Nacken an diese Fassung heran, zumindest machte es mir immer den Eindruck als würde er versuchen allem ein wenig Leichtigkeit zu verleihen und der teils ungewöhnlichen Sprache der Neuübersetzung somit Rechnung zu tragen. Auch läßt er sich eine Menge Zeit und so wirkt alles sehr intensiv und man hat als Zuhörer genug Muße sich in diese Welt hinein zu begeben und sich auch in ihrem gigantischen Umfang zurecht zu finden.

Und was ich nicht zu hoffen gewagt hätte trifft auch ein: Er spielt! Nicht die Art des spielen welche man von Sprechern wie Rufus Beck oder Stefan Kaminski gewohnt ist, es ist eher eine simple akustische Charakterstudie einer jeden Person und so differenziert wie nötig um über die Länge der Lesung hinweg zum Unterhaltungswert beizutragen.

Doch kommt auch Brückner nicht darum herum mit Längen zu kämpfen, welche sich aus dem Buch an sich schon ergeben. Doch wenn man sich durch die Langstrecken gekämpft hat, wird man mit Passagen belohnt wie der in der Ahab seine Männer auf den Fang und die Jagd von Moby Dick einschwört. In dieser Szene leistet Brückner so intensive Arbeit das eine Gänsehaut vollkommen unvermeidbar ist. Er verfällt hier in solch eine überzeugende Darstellung des fast bis zum Wahnsinn getriebenen Ahab, das dieser Moment wie aus einem Hörspiel anmutet und den Rest als „reine Lesung“ in die Schranken weist.

Nach hören der kompletten Lesung blieb bei mir jedoch ein sehr positives Gesamtbild zurück da Brückner den Spagat zwischen den spannenden Teilen und den eher philosophischen Momenten gut und harmonisch überbrückt.

26 CD stark ist diese Version. Die CD sind in 9 Digi-Packs untergebracht, von denen 8 jeweils 3 CD aufweisen und 1 sich mit zwei CD begnügen muss. Auf der Rückseite eines jeden Digi-Packs befinden sich genaue Angaben über die einzelnen Tracks und deren Spielzeiten. Das alles steckt in einem sehr klassisch aufgemachten Schuber, welcher recht stabil ausgefallen ist um die Menge an CD-Gewicht auch durchzustehen. Ein Booklet gibt es auch. Dieses wurde sehr opulent mit vielen Zeichnungen und Informationen über den Autor, den Übersetzer, den Sprecher und ein paar Exkurse in das Reich des Walfangs ausgestattet.

Schwere Kost die man schwerlich in einem Rutsch hintereinander weg hören kann…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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