Haus am Kanal, Das

Haus am Kanal

Nach dem Tod ihrer Eltern zieht die 16jährige Marie zu ihrem Onkel aufs Land. Doch kaum dort angekommen, häufen sich die tragischen Ereignisse: Der Onkel stirbt bei einem Unfall, das Landgut steht vor dem Ruin und ihr Cousin Fred stellt Marie nach. Auch sein Bruder Joop hat ein Auge auf sie geworfen und versucht, sie mit allen Mitteln für sich zu gewinnen.

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Zumeist ist der Name Georges Simenon nicht wirklich ein Begriff welche sofort zugeordnet werden kann. Sein bekanntester Held „Kommissar Maigret“ ist da schon eher mit einem „Den kenne ich!“ behaftet. Doch sollte man sich nicht mit der Hoffnung auf einen waschechten Krimi an dieses Hörspiel heran wagen – denn das ist es nicht. Wenn man schon die Schublade öffnen möchte, dann bitte die auf der „Psychothriller“ in großen Buchstaben steht.

Die junge Marie wird, nach dem Tod ihres Vaters, aus ihrer gewohnten Umgebung heraus gerissen und in eine noch chaotischer geworfen, in welcher sie sich behaupten muss. Der Onkel, bei dem sie weiterhin aufwachsen sollte, verstarb ebenfalls und nun ist der Gutshof in recht ungeordneten Verhältnissen. Obwohl der älteste Cousin von Marie den Hof übernommen hat steuert das Anwesen doch dem Ruin entgegen, da dieser junge Mann das schöne Leben liebt und die Finanzen bis zur Neige ausblutet. Der zweite Sohn, Joop, ist das Gegenteil seines Bruders Fred und eher introvertiert.

Maries auftauchen macht die ganze Sache noch um ein vielfaches schlimmer. Sie nutzt die gerade vorhandene Gunst der Stunde und ihre weiblichen Reize um sich so auf dem Anwesen zu platzieren wie sie es für richtig hält. Doch dies hat ungeahnte und gefährliche Folgen.

Es geht hoch her in diesem Hörspiel und Hörer mit schwachen Nerven sollten nicht unbedingt ein Ohr riskieren. Die Darstellung von Gewalt wird nicht beschönigt sondern so angegangen wie es im realen Leben sicher auch passieren könnte. Vergewaltigung ist genau so ein Thema wie brutaler und eiskalter Kindsmord, nur um den eigenen Interessen Vorrang zu geben und diese um jeden Preis zu schützen.

Die Hauptdarsteller der Geschichte gehen durch emotionale Höllen ohne sich jedoch unbeschadet aus ihnen befreien zu können. Das Ende ist kein Happy Ending, denn die Geschichte verlangt dies. So nah am wahren Leben, denn so weit weg sind solche Tragödien nicht wirklich, ist kaum eine Produktion. Das ist jedoch auch der Knackpunkt welcher dieses Hörspiel nicht wirklich für eine universelle Einsetzbarkeit beim Hörer prädestiniert. Wer sich in das „Haus am Kanal“ begeben will, der sollte von Anfang an die Position des unbeteiligten Beobachters wählen und nicht versuchen sich mit den Protagonisten zu stark anzufreunden. Nette Menschen gibt es hier nicht, sondern fast nur Egomanen welcher ihre Umwelt für sich schamlos und brutal auszunutzen versuchen.

Die Sprecher sind auf ihre Rollen perfekt besetzt. Allen voran gibt sich Katharina Schüttler alle Mühe die Rolle der „Marie“ so darzustellen wie es das Buch dringend verlangt – eiskalt, berechnend naiv und fast tödlich gefährlich. Auch der Rest des Cast liefert eine grandiose Vorstellung ab. Serdar Somuncu, Thierry van Werveke, Grogor Höppner, Karlheinz Tafel, um nur ein paar bekannt Namen zu nennen, beleben die Figuren bis aufs kleinste akustische Detail.

Die Inszenierung ist recht schlicht ausgefallen und beschränkt sich auf das wesentliche – in diesem Fall die Sprecher. De Soundkulisse hätte gerne etwas üppiger ausfallen können, doch ist dieses Hörspiel eh für die älteren Hörer gedacht und da kann man sich auch so seinen Teil denken und muss nicht unbedingt jede Aktion mit einem Geräusch unterlegen.

Sehr nett fand ich die Dialoge welche in flämischer Sprache abgehandelt wurde. Da ich ein wenig des Holländischen mächtig bin und sich der Sprachstamm sehr ähnelt, war es witzig diese zu verfolgen. Doch leider ging mir damit die Unbedarftheit von „Marie“ verloren, welche nicht ein Wort dieser Spreche versteht und somit auf sich gestellt ist.

Dunkel, düster, bedrückend real und schonungslos brutal. Nichts für Leute die shiny Storys bevorzugen und ein Happy End zwingend haben müssen. Dennoch perfekt arrangiert und inszeniert…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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