Ende des 21. Jahrhunderts: Die reichsten und mächtigsten Männer und Frauen haben ein gigantisches Netzwerk geschaffen. In dieser virtuellen Welt wollen sie sich den ältesten Menschheitstraum erfüllen: das ewige Leben. Gleichzeitig fallen überall auf der Welt Kinder in ein rätselhaftes Koma. Nur wenige Menschen erkennen einen Zusammenhang zwischen dem Netzwerk und dem Zustand der Kinder. Eine Gruppe von Abenteurern macht sich auf, um das Geheimnis von Otherland zu ergründen und begibt sich damit in ungeahnte Gefahren.
Als Autor Tad Williams 1996 damit begann seine Saga „Otherland“, er beendete sie mit dem vierten Teil im Jahr 2001, zu Papier zu bringen, hatte er sich nicht damit gerechnet wie schnell seine Utopie, zumindest in kleinerem Maßstab, Wirklichkeit werden würde.
Heute – in Zeiten von Facebook, Twitter und ähnlichen Plattformen die virtuelle Kommunikation und ein nicht reales (Kunst)Leben durch das Internet in jeder Form anbieten – ist bereits eine milde Version dessen vorhanden, was sich Williams für seine Helden erdachte. Unfähig sich in der realen Welt zu bewegen, bedingt durch die verschiedensten „Behinderungen“, haben sie sich im virtuellen Netzwerk eine eigene Welt aufgebaut. Doch als diese beginnt eigene Regeln zu entwickeln, welche fremdgesteuert sind, beginnt auch für die eigentlich realen Bewohnen ein unvorhersehbares Abenteuer.
Hunderte von (erwähnten) Wesen bevölkern Otherland und diese bekommt man auch hier, in diesem 24stündigen Hörspiel, vorgestellt und angeboten. Die Hauptakteure sind der im realen Leben schwerstbehinderte Junge Orlando Gardiner, welcher sich in Otherland als Fantasykrieger „Thargor“ plötzlich damit konfrontiert sieht als sein virtueller Avatar den Tod erleidet als er von einer Erscheinung abgelegt wird. Dann gibt es noch Paul Jonas, mit dessen Geschichte auch das Hörspiel beginnt, welcher sich in den Schützengräben des ersten Weltkriegs wieder findet und versucht sich einen weg nach „draußen“ zu bahnen. Doch wird ihm dies erschwert, denn er scheint mächtige Gegner zu besitzen. Und da wäre noch Renie Sulaweyo, eine Computerfachfrau, welche sich mit dem Phänomen beschäftigt das immer mehr Kinder, bei Nutzung von Otherland, plötzlich in ein Koma fallen. Als ihr Bruder auch in Mitleidenschaft gezogen wird, beginnt sie damit sich persönlich der ungewöhnlichen Vorfälle anzunehmen. Diese Hauptpersonen werden auf ihrem Weg durch unzählige Zeiten und Welten von schier legionartigen Mengen an Gegnern und Helfern begleitet. Alle aufzuzählen oder auch nur ansatzweise zu erwähnen würde diesen Rahmen hier definitiv sprengen.
24 Stunden Hörspiel, da sollte man schon besonderes bieten um den Zuhörer auch nur im entferntesten zu fesseln. Walter Adler, Regieurgestein und Chef dieser gigantischen Umsetzung, hat es geschafft die Geschichte auf solch eine Dichte zu pressen, das man nicht wirklich in der Lage ist abzuschweifen. Man muss mitten im Geschehen bleiben, denn hat man etwas überhört, wird es nicht erneut vollkommen erklärt.
15 Seiten im ausführlichen Booklet werden alleine durch Rollen- und Sprechernamen belegt. Über 250 Namen tummeln sich hier und dies alles lest sich wie das Who-Is-Who einer Sprecherriege wie man sie so illuster wohl nie wieder wird erleben dürfen. Da sins alleine 12 Erzähler, denn nach und nach bekommt jede Handlungsebene ihre eigene Erzähler verpasst. Auch die Riege der Haupthelden wird mit 15 angegeben, doch wie sich diese genau zusammensetzt ist eher verwaschen, da sich deren Wege ständig irgendwie begegnen und auch teilweise sofort wieder trennen.
Jeden Sprecher einzeln zu erwähnen, oder gar zu kommentieren, wäre etwas zu ausführliches Unterfangen. So sei es denn hier nur auf das nenne der bekanntesten Namen beschränkt, welche die qualitative Tragweite der ganzen Inszenierung recht anschaulich darstellen sollten. Da wären: Hans-Peter Hallwachs, Nina Hoss, Peter Matic, Samuel Weiss, Ulrich Matthes, Peter Fitz alleine als Teil der Erzählercrew, sowie: Jen Harzer, Matthias Koeberlin, Ulrich Noethen, Ernst Jacobi, Andreas Fröhlich, Udo Schenk, Friedhelm Ptok, Rosemarie Fendel und und und.
Die diversen Welten, in denen sich dieses Battalion an Stimmen bewegt, sind so ausführlich in Geräusche und Musik gefasst, das an zu jeder zeit mittendrin statt nur dabei ist. Der Anfang ist jedoch ein rechte Zerreißprobe zwischen dem Zuhörer und der etwas zu übermächtig erscheinenden Geräuschkulisse. Paul Jonas erster Auftritt muss durchgestanden werden, denn hier wird er erste Weltkrieg mit allen nur erdenklichen Effekten an den Zuhörer gebracht. Schmerz, Gefahr und Verzweiflung in Geräusche verpackt und mit unverminderter Wucht gegen das andere Ende des Kopfhörers geschmettert – so begrüßt die Welt von Otherland den Neueinsteiger. Das sich dieses Stakato an akustischer Überbelastung im Laufe der Geschichte mehr und mehr relativiert ist ein sehr angenehmer Aspekt, da man sich gerade am Anfang selber nicht mehr hören kann, so laut geht es zur Sache.
Ein Hörspiel das man nicht an einem Stück hören kann, denn 24 Stunden sind schon ein ziemlicher Marathon der Emotionen. Doch an vier tagen hintereinander genossen ergeben alle Welten und Geschichten auch eine sehr intensiven Sinn, denn eine Botschaft hat Tad Williams auch noch mit hinein gepackt. Welche das ist? Nun, das sollte man selbst erfahren und danach die angebotenen Virtualitäten eventuell mit anderen Augen betrachten.
Gigantisches 3-D-Surround-Kino für die Ohren, dessen Tiefgang zu jeder zeit packend und mitreißend ist…
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