Winnetou I (Hörverlag)

May_Winnetou_digi_NEU_7-774.inddKlappentext der CD: Karl Mays bekannteste Abenteuergeschichte über die Blutsbrüderschaft von Old Shatterhand und Apachenhäuptling Winnetou. Seit 1956 hat sich keine Rundfunkanstalt mehr an diesen berühmten Stoff gewagt. 2010 brachte Hans Helge Ott die Neubearbeitung von Regine Ahrem zusammen mit den Musikfestspielen Potsdam zunächst als Live-Hörspiel auf die Bühne, hier kommt endlich die Studiofassung, die alles mitbringt, was ein Hörspielklassiker braucht: eine großartige Schauspielerriege, ein grandioses Orchester, Abenteuer, Romantik und echte Helden.

TrennstrichBisher lebte ich im Glauben meinen Karl May relativ gut zu kennen, doch ich wurde nun eines besseren belehrt und meine Kindheit durch diverse Offenbarungen bis in ihre Grundfesten erschüttert.

Als Kind der sechziger und siebziger Jahre des vergangenen Jahrtausends wuchs ich mit gewissen Helden auf, unter denen sich auch Winnetou, der Häuptling der Apachen, und Old Shatterhand befanden.

Wurden sie optisch von Pierre Brice und Lex Barker dargestellt, so faden sich im Hörspiel Konrad Halver und Heinz Trixner in beiden Rollen wieder. Stets war für mich Winnetou der „weichere“, ja sogar feminine, Teil des Gespanns und Old Shatterhand der väterliche Wegbegleiters seines jungen Freundes. Brice und Halver, sowie Barker und Trixner, verkörperten diese Vorstellung – optisch wie akustisch – in Perfektion.

Nun stolpere ich im momentanen Karl May-Fieber, welches sich gerade durch meine Hörgewohnheiten frisst, auf die Umsetzung des RBB aus dem Jahr 2011. Zeitgemäßer soll sie sein, näher an der Buchvorlage dran und an sich etwas das man nicht verpassen sollte. Also her das Ding und angehört…

Zuerst wollte so gar nichts für mich stimmen, denn die Charakterisierungen der einzelnen Personen liefen für meine bisherige Vorstellung ein wenig aus dem Ruder. Old Shatterhand, respektive Karl May, klang zu jung, Winnetou zu alt, Sam Hawkins nicht durchgedreht genug und auch sonst… ne, das war nichts mit dem ich mich anfreunden würde können.

Doch Stück für Stück, Track für Track und Minute für Minute zog mich die Inszenierung weiter in den wilden Westen, wie er gefakter nicht sein könnte. Wir erinnern uns daran das Karl May erst die USA besuchte als seine Bücher schon lange erschienen waren.

Nach der ersten CD bewertete ich die ganze Sache als gute Neuinterpretation des alten Stoffes, begann jedoch zu recherchieren in wie weit man da nun ein Update hatte drüber laufen lassen, da ich die Bücher niemals gelesen habe.

Die Recherche konfrontierte mich bald mit dem Umstand, das meine Kindheitshelden in Film und Hörspiel nicht nur relativ wenig mit den Originalen zu tun hatten, sondern auch noch massenwirksame Weichspülversionen der beiden May-Helden waren.

Nun passte ein Konstantin Graudus mit seiner jungen und weichen Stimmlage wesentlich besser zu einem Old Shatterhand. Max Hopp klingt zwar nicht ganz so alt, aber einen Endvierziger nimmt man ihm als Winnetou deutlich ab – denn May beschreibt den Häuptling der Apachen als „Er schien im Anfange der fünfziger Jahre zu stehen; seine nicht zu hohe Gestalt war von ungewöhnlich kräftigem und gedrungenem Bau, und insbesondere zeigte die Brust eine Breite, die einen hoch aufgeschossenen und langhalsigen Yankee in die respektvollste Bewunderung zu setzen vermochte.„, welches vom fast schon androgynen Bild des Pierre Brice und der extrem weichen Stimme eines Konrad Halver so weit entfernt ist wie Arnold Schwarzenegger vom Literaturnobelpreis.

Die Inszenierung ist radiolike verhalten und opulente Klangbilder werden nur selten angeboten – eine sterile Umsetzung ist es trotzdem nicht. Die Musik wurde von Martin Böttcher entliehen, welcher auch die Karl May Filme der Urzeit klanglich ausgestattet hat.

Wer sollte sich also nun den Update-Winnetou im genauen Buchgewand anhören?

Jeder der nicht zu sehr an Kindheitserinnerungen klammert und für den es ein „So war das nicht wirklich im Buch, wie die das im Film gezeigt haben!“ gibt. Man muss sich an die neuen Charakterisierungen gewöhnen, auch wenn sie eigentlich nur das Alter der Protagonisten und deren optische/akustische Wirkungsweise betreffen. Der Rest ist wie bekannt – Gut gegen Böse, that´s it!

Zum Schluss sei noch erwähnt das ein Wolfgang Völz perfekt akustisch in die Rolle des Sam Hawkins passt, auch wenn man sich nach wie vor Ralf Wolter optisch dazu vorstellt.

Meine Recherche ergab jedoch kein Ergebnis, das man den Pfad des Apachen beim RBB weiter verfolgt hat und da der erste Winnetou nun bereits vier Jahre auf dem Tipi hat, bezweifle ich, das man die Trilogie beenden wird.

So zieht denn Neo-Winnetou I als Einzelstück in den ewigen Jagdgründen ein um sich dort mit Pierre Brice, Konrad Halver, Lex Barker und Heinz Trixer darüber auseinander zu setzen, wer denn jetzt nun der bessere Apache und das bessere Greenhorn ist.

Soundsystem-BLAU

Thomas Rippert
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