Aubrey, der junge Spross einer noblen englischen Familie, begibt sich auf eine ausgedehnte Europa-Reise zu den Stätten der Antike. Zu seinem Begleiter hat er einen geheimnisvollen, charismatischen jungen Mann gewählt, der urplötzlich in der englischen Gesellschaft aufgetaucht ist: Lord Ruthven.
Die Geschichte „Der Vampir“ (oder auch antiquiert gerne mit „y“ statt mit „i“ geschrieben) ist schon in ihrer Entstehung eine dramatische Begebenheit sondergleichen. Im Jahr 1816 ereignete sich ein Wettstreit der Dichter, aus welchem die Geschichten von „Frankenstein“ und dem „Vampir“ hervor gingen. Alleine dieser Wettstreit maßt schon wie eine reine Erzählung an sich an, doch ist er wirklich geschehen. Die dort erfundene Geschichte des „Vampir“ wurde von Lord Byron, einem damaligen Skandal-Poeten, ersonnen und diente für Bram Stokers Edelvampir „Dracula“ als Vorlage, welcher dann später die Herzen der Leser im Sturm eroberte. Doch wurde die Geschichte von Lord Byron nicht selbst be- und vollendet. Dies erfolgte durch seinen persönlichen Leibarzt John William Polidori, einen eher schwächlichen Mitläufer des burschikosen und despotischen Byron.
So kam es auch das die Geschichte des „Vampir“ schnell zu einer Art Autobiographie über Byron und Polidori wurde, in der dieser die beiden Charaktere fast authentisch schilderte und mit seinen Romanfiguren ver-und abglich. Polidori ging auf Byrons, in der damaligen Zeit, mehr als sündhaften Lebenswandel ein und sparte weder die Themen Ehebruch noch Homosexualität noch die bizarren Sexualpraktiken seines Vorbilds Byron aus. Als der Roman 1819 erschien wurde er zum Bestseller in dessen Fahrwasser 1897 auch „Dracula“ das Licht der Welt erblickte.
Und jetzt zum Hörspiel. Mit Vampiren, in all ihren diversen Spielarten, haben die Titanier ja bereits mehrere Begegnungen gehabt und sie fast allesamt atmosphärisch und packend zu Ende gebracht. So, so viel sei vorweg genommen, auch hier. Die Geschichte von Polidori lässt nicht viel interpretatorischen Spielraum zu, doch wurde er hier perfekt genutzt und umgesetzt. Die Sprecher wurden alle so platziert, dass sie genau den Nagel der Charaktere auf den Kopf treffen.
Christian Stark interpretiert den „Lord Ruthven“ so androgyn, dass man sich zu keiner Zeit seiner geschlechtlichen Vorlieben gewiss sein kann und dies wird auch durch diverse Erwähnungen nie hinter irgendetwas versteckt. Dem gegenüber steht Patrick Bach als „Percy Aubrey“, der Gutmensch vom Lande, welcher vollkommen zivilisatorisch unbeleckt in die Gesellschaft und deren moralische Vorstellungen geworfen wird. So ist es ein leichtes für „Ruthven“ mit dem unerfahrenen Jüngling zu spielen und dessen Welt fast in den Grundfesten zu erschüttern.
Jeder Rolle ist, wie eigentlich immer bei den Titaniern, perfekt besetzt und die Inszenierung lässt hier keine Wünsche offen. Bereits zum Anfang bekommt man, durch die Einführung von Patrick Bach und dessen Sprachstil, einen kleinen Einblick in die Düsternis der kommenden Ereignisse. Und dieses Feeling wird über das komplette Hörspiel hinweg gehalten. Immer steht die nicht wirklich greifbare Bedrohung in der Nähe des Hauptprotagonisten und stets erlebt der Zuhörer dieses 1:1 mit.
Auch Sound und die Musik sind hier wieder reiner Kinobombast und packen genau da wo es fesseln und angreifen soll. Bei dieser Produktion ist es wieder problematisch nicht erneut in die Superlativen einer Lobpreisung der Titanier zu verfallen, doch auch wenn es im Gruselkabinett ein paar Ausrutscher gab, so ist hier nichts davon zu spüren. Wer es versteht aus einer rein gefühlsmäßigen Geschichte, zumindest ist das immer mein Eindruck über „Der Vampyr“ gewesen, so eine fesselnde Umsetzung zu machen, der hat einfach ein Händchen für Entertainment – auch wenn mir subjektiv nicht immer jede Geschichte der Serie zusagt (siehe Besprechung zu „Die Gespenster-Rikscha“).
Phrasendreschend möchte die ich dieses Hörspiel ungeschönt als „Kino für die Ohren“ bezeichnen und jedem ans Herz legen der sich noch nicht übersättigt hat an den ganzen vampiristischen Ausflügen die im Moment überall präsentiert werden. Hier wird man gut und unterhaltend bedient…
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