Dystopien sind nach wie vor gefragt! Kommt mir bekannt vor, der Satz. Egal!
Mich interessieren ja auch immer die Menschen hinter den Dystopien. Warum schreibt ein Autor das was er schreibt und was hat ihn dazu gebracht.
Nachdem ich „Graues Land“ von Michael Dissieux gelesen hatte, war für mich klar, dass er mein nächstes Interviewopfer werden muss. Und er hat sogar zugesagt!
Thomas Rippert: Hallo, Michael. Zuerst einmal vielen Dank, dass Du dir die Zeit nimmst mir ein paar Fragen zu beantworten.
Fangen wir mal mit dem gewohnten Opener an: Bitte stelle dich doch denjenigen der Leser von Lukes Meinung kurz vor, die dich noch nicht kennen.
Michael Dissieux: Hallo, Thomas. Ich bin gebürtig aus Saarbrücken, lebe allerdings seit 3 Jahren mit meiner Lebenspartnerin in Mittelschweden. Hier arbeite ich als Busfahrer, da man vom Schreiben allein leider nicht leben kann. Einige meiner Romane erschienen seit 2011 im Luzifer-Verlag, allerdings hatten sich unsere Wege nach einigen Jahren der Zusammenarbeit getrennt. Mit dem KOVD-Verlag habe ich nun einen neuen Partner gefunden.
Thomas Rippert: Ich habe bisher zwei Bücher von dir gelesen. Zum einen „Tagebuch eines Toten“ und zum anderen vor kurzen den ersten Band von „Graues Land“. Beide sind Dystopien wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Wie kommt man als Autor auf die Idee eine Dystopie zu verfassen?
Michael Dissieux: Da ist die Antwort ganz simpel. Zum einen hat mich das Genre schon als Kind / Jugendlicher fasziniert, unter anderem durch den Film „Der Omega Mann“ oder „Das letzte Gefecht“ von Stephen King. Zum anderen stelle ich mir mein Leben lang schon die Frage, wie ich im Falle einer Apokalypse agieren würde. Hätte ich das Zeug zum Überleben, und wie würde ich selbiges sichern. Deshalb versuche ich auch in meine Figuren stets eigene Gedanken und Gefühle einfließen zu lassen, so dass sie ein Teil von mir sind und ich quasi in der Geschichte mitspielen kann. „Das Überleben nach dem Ende“ ist einfach ein spannendes Thema.
Thomas Rippert: Nun verzichtest Du ja fast vollkommen auf Action und Splatter, aber dennoch sind die Bedrohungen, denen sich deine Protagonisten zu stellen haben, eben genau das. Trotzdem schaffst Du es Spannung aufzubauen. Hast Du etwas gegen Action und Splatter als Mittel zum Zweck?
Michael Dissieux: Ich habe nichts gegen Splatter. Ich habe viele Jahre lang dieses Genre gerne gelesen. Aber zu meiner Art, Geschichten zu schreiben, passt es nicht. Wie bereits erwähnt, versuche ich meinen Texten trotz des weit hergeholten Themas etwas Realismus einzuhauchen, etwa in der Art, wie meine Figuren handeln. Und da kann ich mit Splatter nicht viel anfangen. Aus diesem Grund wurden die Kreaturen in GRAUES LAND auch nur kurz angerissen und spielen eigentlich keine große Rolle. Und Action? Naja, ich schreibe gerne ruhig und auch etwas melancholisch. Da kommt die Action oft zu kurz, was manche auch kritisieren. Aber ich möchte nicht anders schreiben. Mein Motto lautet immer: „Ich schreibe so, wie ich es lesen will.“
Thomas Rippert: Gerade im ersten Band von „Graues Land“ fiel mir auf, dass Du die Geschichte über den Mikrokosmos eines alten Mannes transportierst. Ist das für dich ein Thema, das Älterwerden?
Michael Dissieux: …ab einem gewissen Alter macht man sich schon Gedanken übers Älterwerden. Aber das war nicht der Grund, warum die Wahl meines Protagonisten auf Harvey fiel. In den meisten dystopischen Romanen und Filmen spielen ehemalige Polizisten oder Soldaten die Hauptrolle. Personen, mit denen sich die Wenigsten von uns identifizieren können. Ich wollte aber einen Charakter, in den ich viel von mir selbst stecken konnte, einen „Jedermann“, einen wie dich und mich. Ich finde es interessanter, wenn man normale Menschen dabei beobachten kann, wie sie mit einer derartigen Extremsituation umgehen. Es ist zudem leichter, die eigenen Gedanken und Ängste in solche Menschen einfließen zu lassen. Harvey habe ich mir übrigens aus einem Roman von Brian Keene „ausgeborgt“, aber das nur am Rande …
Thomas Rippert: Also ist da schon ein wenig Autobiografisches in Harvey!
Wenn man die Jetztzeit betrachtet, so leben wir ja gerade in einer Pandemie, auch wenn wir hoffentlich noch weit weg sind von der Apokalypse.
Wie fühlt man sich da als Autor von Dystopien? Gibt einem das momentane Verhalten von Teilen der Bevölkerung neues Ideenfutter?
Michael Dissieux: Ich versuche in jede meiner Figuren, etwas Autobiographisches zu stecken. Nur so kann ich sie glaubhaft handeln lassen.
Und was das Verhalten von „Teilen der Bevölkerung“, wie du es nennst, angeht …. jedes menschliche Verhalten bringt neues Futter für Geschichten.
Man muss die Leute nur beobachten und sich seine eigenen Gedanken darüber machen.
Thomas Rippert: Da Du ja bei KOVD eine neue Autorenheimat gefunden hast, würde mich interessieren zu erfahren, was dort als nächstes aus deinem Werk ansteht?
Michael Dissieux: Sascha vom KOVD-Verlag und ich haben noch einiges vor. In Kürze erscheint eine Komplettausgabe meiner lovecraft´schen Serie „Die Legende von Arc´s Hill“, die ursprünglich in 5 kleinen Bänden erschienen ist, als limitierte Sammlerausgabe. Zudem arbeiten wir im Moment an einer Storysammlung, über deren Inhalt ich noch nicht zu viel verraten will. Geplant ist zudem noch eine Romanserie über ein Ermittlerteam mit recht unorthodoxen Arbeitsmethoden. Und was die weitere Zukunft bringt, wer weiß ….
Thomas Rippert: Wie schreibst Du Steht schon zu Beginn der Geschichte fest wie sie enden wird, oder lässt Du alles auf dich zukommen?
Michael Dissieux: Zu Beginn existiert nur eine Idee, die durch irgendeine Begebenheit im Alltag entstehen kann. Um diese Idee herum spinne ich mir eine grobe Geschichte zurecht, ohne dabei ein Ende festzulegen. Während dem Schreiben entwickelt sich die Geschichte allerdings komplett in eine andere Richtung, Charaktere weisen neue Wesenszüge auf und das Ende kommt dann selbst für mich überraschend. Es ist eben die Geschichte meiner Figuren, und ich schreibe lediglich auf, wie sie sich den Verlauf ihrer Geschichte vorstellen.
Thomas Rippert: Welche Tipps würdest Du, als alter Schreibhase, neuen Autoren mit auf den beginnenden Weg geben?
Michael Dissieux: Für mich gilt als oberste Regel, dass man immer sich selbst treu bleibt. Man sollte sich nicht irgendwelchem Erfolgsdruck beugen und niemals versuchen, andere zu kopieren. Mein Motto beim Schreiben lautet immer: „Ich schreibe so, wie ich es selbst gerne lesen würde“. Aufgezwungenes Schreiben, ganz gleich ob von anderen oder einem möglichen Erfolg auferlegt, funktioniert nie.
Thomas Rippert: Dann möchte ich mich bei dir, lieber Michael, für deine Zeit und die ausführlichen Antworten bedanken und dir weiterhin viel Erfolg wünschen!
Michael Dissieux: Hat mir viel Spaß gemacht. Ich habe zu danken.
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