Zum 100. GEBURTSTAG von Francis Durbridge am 25. November: Die aufwändig inszenierten Kult-Radio-Hörspiele aus den 50er Jahren
„Gepflegte Scotland-Yard-Atmosphäre, edles britisches Ambiente und fiese Verbrecher – Krimi als Kult“ (STERN). In den 50ern waren die Hörspiele um Paul Temple echte Straßenfeger. Zum Jubiläum präsentieren wir die fünf spannendsten Fälle in einer Sonderedition.
Enthält: Paul Temple und der Fall Alex, Paul Temple und der Fall Curzon, Paul Temple und der Fall Genf, Paul Temple und der Fall Gilbert, Paul Temple und der Fall Lawrence
Paul Temple, eine Name der in Kreisen von Krimifans widerhallt wie Donnergrollen an der Steilküste Englands. Seit 1938 macht der fiktive Schriftsteller gemeinsam mit seiner Frau Steve die Untiefen der Kriminalität unsicher und führt in unzähligen Hörspielen, so machen Bösewicht seiner gerechten Bestrafung zu.
Im Gegensatz zu vielen englischen Hobbydetektiven, erscheint Paul Temple jedoch nicht im Gewand des biederen Normalbürgers oder gar Adligen – Temple lebt und so sind seine Geschichten auch sehr lebendig, zumindest was den Wortwitz und die Charakterisierung der einzelnen Figuren betrifft. Action sucht man jedoch vergebens – something has to be british at all!
Die alte Tante BBC brachte es seit 1938 auf satte vierunddreißig Vertonungen, von denen neun Hörspiele neue Produktionen sind – die aktuellste sogar aus dem Jahr 2013.
1949 zogen dann auch, gewohnt verspätet, die deutschen Radiosender nach – erwähnenswert wären NWDR und WDR – und produzierten bis 1967 insgesamt 15 Hörspiele, von denen zwei jedoch Dubletten der vorherigen WDR-Produktion sind.
In den Jahren 2003 bis 2005 erlebte Paul Temple bereits seine erste Renaissance im damaligen Hörspielboom und der Hörverlag, sowie der Audio Verlag, legten die noch existierenden Hörspiele in CD-Form auf. Auch wenn die Aufmachung beider Verlage sich sehr unterschied fanden die Boxen großen Anklang beim Publikum und so verwundert es nicht, das der Hörverlag zum hundertsten Geburtstag von Francis Durbridge eine „Jubiläums Kult-Edition“ seiner Hörspiele in MP3-Form auflegt, welche die Fälle „Alex“, „Curzon“, „Genf“, „Gilbert“ und „Lawrence“ platzsparend auf drei CDs in Vinyloptik enthält. Die MP3-Dateien weisen eine Bitrate von 192 k/bits auf, welche den alten Originalvorlagen vollkommen ausreichend akustischen Respekt zollen.
Nun einzeln auf alle fünf Produktionen einzugehen macht wenig Sinn, weshalb ich mich auf Allgemeinplätze beschränken möchte.
Nach dem Motto „Es kann nur Einen geben“ scheint auch Paul Temple von einer Person beherrscht zu werden: René Deltgen. Von Anfang an, gab er den wortgewandten und stilsicheren Detektiv zum besten, bis er 1967 durch Paul Klinger ersetzt wurde. Auch wenn Klingers Stimme markant, bekannt und sein Profil in dutzenden Filmen zu sehen ist – ähnlich wie Deltgen – so war ihm jedoch scheinbar kein Erfolg gegönnt, denn der „Fall Alex“ war der letzte, welchen Paul Temple im deutschsprachigen Radio lösen sollte.
Auch musikalisch lebte Temple von der Wiederholung, denn hier zeichnete in allen Fällen Hans Jönsson verantwortlich.
Anders hingegen sollte es der Rolle von Temples Frau „Steve“ ergehen, welche – dominierend von Annemarie Cordes in acht Auftritten – insgesamt von fünf Sprecherinnen verkörpert wurde. Butler Charlie brachte es hingegen nur auf drei Stimmen.
Auch der wechselhafte Rest der Besetzungen strotzt nur so von bekannten Stimmen, von denen ich auch nur die berühmtesten Namen erwähnen möchte. Hierzu zählen: Gerd Baltus, Friedrich W. Bauschulte, Pinkas Braun, Walter Giller, Arno Görke, Ernst H. Hilbich, Marianne Kehlau, Gustav Knuth, Peter René Körner, Jürgen von Manger, Heinz Schimmelpfennig, Gisela Trowe, Günther Ungeheuer sowie Siegfried Wischnewski.
Das der Autor Francis Dubridge ein Wiederholungstäter war, was seine Arbeiten betraf, ist hinlänglich bekannt und so sind die Fälle auch stets nach dem selben Muster gestrickt. Doch verliert sich dies nicht in Langeweile, denn die Charaktere an sich vermögen es, dem Zuhörer eine unterhaltsame Welt zu suggerieren, welche zwar heutzutage mächtig antiquiert daher kommt, aber als Zeitgemälde einer medientechnisch produktiven und experimentierfreudigen Epoche ein scharfes Bild des Gewesenen zeichnet.
Abstriche muss der heutige Hörspieleleve in der Tonqualität und auch der Inszenierung an sich machen. Die etwas umfangreichere Intonierung einer kammerspielartigen Umsetzung erklärt sich durch den Umstand, das damals noch „live“ aufgezeichnet wurde und man dem Hörspiel noch die Bezeichnung „Spiel“ zuteil werden lies. Das umfangreiche Booklet der Edition illustriert sehr schön die Aufzeichnungsgegebenheiten von damals, denn man sieht Deltgen und Co. kostümiert in Aktion. Neben den Bildern ist sehr umfangreiches Textmaterial als informative Lesebeilage ebenfalls im Booklet zu finden.
Wer sollte also nun die benötigten Euros für diese Edition investieren? Alle Krimifans, denen die ersten Neuauflagen der Hörspiele durch die Lauschlappen gegangen sind, Fans des Vintage-Crime, Freunde von Unterhaltung die nicht auf Effekte sondern eher auf schauspielerische Substanz setzt und Menschen die einfach einmal gut und problemfrei berieselt werden möchten!
Nicht zu vergessen: Paul Temple lebt!
Der November des Jahres 2014 wird die Neuproduktion der vom NWDR im Jahr 1949 produzierten Story „Paul Temple und die Affäre Gregory“ erleben, deren Original verschollen ist. Auch wenn dies eine Art Freude hervorrufen könnte, so machen mich die Namen Bastian Pastewka – in der Rolle des Paul Temple – und Leonard Koppelmann als Regisseur doch ein wenig unruhig was die Faktoren Comedy und erzwungene Radiokunst im Hörspiel betrifft.
Auch ist die Bezeichnung „Gelesen von“ etwas beunruhigend in Verbindung mit der Bezeichnung Hörspiel – begleitet von Pastewkas Gesichtsausdruck auf dem bisherigen Cover.
Doch will ich der ganzen Geschichte eine gute Chance einräumen und nicht schon vorher den bekannten „Wolf“ rufen, denn man kann sich immer positiv überraschen lassen – wenn das auch einem Puristen, zu denen ich mich nicht zähle, schwer fallen mag.
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