19 – Monsterbrut

2.05Johann Conrad Dippel von Frankenstein machte sich wie ein Besessener an die Arbeit. Auf dem Tisch lag der Torso des Händlers. Der linke Arm fehlte vollständig, die Beine waren bis auf die Knochen abgenagt, und am Schädel ragte der Kieferknochen hervor. Von Frankenstein sägte, nähte und hämmerte fast die ganze Nacht. Er setze den geschundenen Köper aus neuen Leichenteilen, die in Kübeln mit Alkohol schwammen, wieder zusammen. In der Luft lag der modrige Gestank der Hölle. Fast hatte er sein Werk vollendet! Das Grauen würde bald zum unheiligen Leben erwachen!

TrennstrichEs gibt einige wenige Themen die im Medium Hörspiel nur eher selten, ja fast gar nicht, verarbeitet werden. Um so erstaunlicher ist es dann wenn man solch ein Thema in einer Hörspielserie wieder findet welche die meisten in den Bereich des Mainstream-Grusels ansiedeln. Es gibt ein paar Rufer die sich vordergründig dafür stark machen das Hörspielproduzenten auch unbequeme Themen verarbeiten, doch wird es dann getan ist zumeist die Art und Weise der Umsetzung auch wieder falsch und nicht so wie „man“ es denn wünscht. So empfinde ich es als sehr beachtliches, wenn auch vom mir tief respektiertes, Wagnis das Thema Kindesmisshandlung, ja sogar Vergewaltigung, in einem Hörspiel zu thematisieren und in eine laufende Serienhandlung einzubringen.

Auch wenn jetzt der ein oder andere, ob dieser Aussage, den Kopf schütteln mag, so sollte man doch bei einer Produktion von R&B etwas genauer zuhören. Die Produzenten scheuen sich nicht davor Vergleiche zwischen dem Nationalsozialismus und den Zielen der „Goldenen Dämmerung“ zu ziehen. Der Machtkampf in den Reihen der oberen Führungsriege der Organisation ist so eindringlich inszeniert das mir beim zuhören ein Schauer über den Rücken lief. Nicht aus Begeisterung, sondern durch den Fakt das diese Darstellung von fanatischen „Beschützern der reinen Menschenrasse“ so nahe an der Wirklichkeit dran ist wie das oben bereits angeschnittene andere Thema das in diese Folge mit verarbeitet wird.

Langsam aber kontinuierlich entwickelt sich Faith immer mehr von dem weg was viele, mich eingeschlossen, bisher darin gesehen haben – eine nette Unterhaltungsserie die mit den gängigen Elementen von Populär-Grusel spielt und nicht gerade mit „moralischem“ Tiefgang aufwartet. Doch die zweite Staffel kann all dies aufweisen. Am beachtlichsten finde ich es jedoch das man die Mischung aus Unterhaltung und Tiefgang bisher sehr gut hin bekommen hat, ohne den ermahnenden Zeigefinger zu hoch zu erheben oder ernste Themen nur trivial und fahrig ab zu handeln. Ich hoffe sehr das diese eingeschlagene Richtung beibehalten wird und auch unbequeme Themen weiterhin den Weg in die Serie finden werden.

Um die Reihe der klassischen Horrorwesen noch auszuweiten, werden jetzt auch Ghouls in das Geschehen hinein geworfen. Bediente sich die erste Staffel der Serie noch eher der etwas unbekannteren Gruselwesensformen, so sind die der neuen Staffel fast nur klassischer Natur. Simeon Hrissomallis und Wolfgang Strauss schaffen hier eine storytechnische Nische die sonst nicht so einfach zu finden ist. Nicht die Menschen und deren Ziele, welche durch die „Goldene Dämmerung“ vertreten werden, sind hier die Sympathieträger, es sind die Schattenwesen und Nachtkreaturen welchen man als Hörer seine „Zuneigung“ schenkt, da sie es sind die verfolgt und misshandelt werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Serien versuchen die Macher hier den „Bösewichtern“ ein Profil zu geben das etwas weiter geht als nur das der blutrünstigen Bestie.

Die Liste der Sprecher ist diesmal sehr lang und mit bekannten Namen so wie auch Stimmen bestückt die man zuerst bei R&B zu Gehör bekommt. Neben den Hauptrollen, welche wie immer von Nana Spier, Thomas Nero Wolff, Dorette Hugo und Boris Tessmann hervorragend belebt werden, sind auch die Nebenrollen wieder vom feinsten besetzt. Lutz Riedel als „Dracula“, Klaus-Dieter Klebsch als „Adam, das Monster Frankensteins“ oder Tanja Geke als „Delia Richards“ sind nur wenige der bekannteren Namen. Auch Robert Missler, endlich mal in einer Rolle in der ich ihn so schnell nicht erwartet hätte da er ja momentan eher auf die glatten Gutmenschen avanciert ist, belebt den Wahnsinn des „Lyssakowitsch“ das einem Angst und Bange wird ob des Fanatismus der in diesem Geist zu leben scheint. Aufzählen könnte man noch Marion von Stengel, Helmut Gauß, Marco Ventrella, Anna Laube, Marianne Groß, Thilo Schmitz und Michael Holz – um nur noch ein paar bekanntere Spieler zu erwähnen.

Die Inszenierung ist wieder auf den Punkt genau ausgearbeitet und perfekt umgesetzt. An Bombastszenen haben sich die R&Bler ja nun jahrelang ausgetobt und alles ausprobiert was ging um nun beweisen zu können das sie diese Art der Inszenierung beherrschen. Doch zeigen sie in jüngster Zeit immer öfter das sie auch mehr Augenmerk auf die ruhigeren Töne legen und in der Lage sind auch tiefer gehende Thematiken ansprechend zu intonieren.

Nicht gerade ein einfacher und gut verdaulicher Stoff der hier geboten wird, doch zeigen die R&Bler immer mehr das mehr als ein Easy-Listening-Macher in ihnen steckt und das sie genau wissen was sie tun…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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