28 + 29 – Der Glöckner von Notre Dame

Gruselkabinett-28+29Paris 1466: Die Pest wütet im Umland von Paris. Der junge Geistliche Claude Frollo macht sich auf, seine Eltern zu retten und kommt zu spät. Ihm fällt die Sorge für seinen Bruder Jean zu, der noch ein Säugling ist. Im Jahr darauf – am Sonntag Quasimodogeniti – wird ein missgestalteter kleiner Junge im Findelkinder-Bettchen vor der Kathedrale von Notre Dame niedergelegt.

 

Paris 1482: Quasimodo hat sich durch das Geschehen am Pranger merklich verändert. Dies bleibt seinem Meister, dem düsteren Erzdiakon Claude Frollo, nicht verborgen. Ebenso wenig, dass La Esmeralda neuerdings einen Begleiter an ihrer Seite hat, den Dichter Pierre Gringoire. Aber auch der schneidige junge Hauptmann Phoebus de Châteaupers hat ein Auge auf das schöne Zigeunermädchen geworfen. Das Unheil nimmt seinen Lauf.

TrennstrichAnders als im Roman bekommt Quasimodo hier eine etwas größere Aufmerksamkeit geschenkt. Im Buch wird der eher tragische Charakter des Glöckners mehr als eine Art Schaubild der Vorurteile der Menschen des Mittelalters benutzt und ist nicht die strahlende, fast heldenhafte Figur spätere filmischer Umsetzungen. Die Geschichte dreht sich jedoch im wesentlichen um die Zigeunerin Esmeralda, den in sie verliebten Priester Claude Frollo und den Hauptmann der Garde Phoebus. Diese drei Figuren werden in ein Gespinst aus Liebe, Hass und Rachsucht verstrickt welches, wie man ja weiß, nicht sehr angenehm endet.

Die Dramatik der Geschichte wird in diesem Hörspiel sehr eindrucksvoll und auch bewegend eingefangen. Sicherlich ist hier und da ein wenig Overacting der einzelnen Figuren an der Tagesordnung, doch gebietet alleine die Geschichte schon ein größeres Maß an übertriebener Charakterdarstellung und ein wenig zu viel Herzblut.

Die für die einzelnen Rollen ausgewählten Stimmen passen auf die Charaktere wie ein Topf auf den Deckel. Roland hemmo als erzählenden „Victor Hugo“ auszusuchen war sicher eine recht gute Entscheidung. Auch wenn man gerade bei dieser Figur nicht wirklich eine Stimme im Hinterkopf hat, so ist Hemmos Timbre doch angenehm genug um den Erzählpart überzeugend dramatisch zu vermitteln. Udo Schenk besitzt den nötigen Stimdruck um dem Priester „Frollo“ Glaubhaftigkeit zu verleihen und auch die negativen Seiten des Charakters ausspielen zu können. Kristine Walther, als „Esmeralda“ und Tommy Morgenstern, als „Quasimodo“, waren mir bisher namentlich kein Begriff. Sie verstehen es jedoch die Charaktere so zu beleben das man vor dem inneren Auge Gina Lollobrigida und Anthony Quinn, aus der Verfilmung, in ihre Rollen sieht. Patrick Bach hat ja nun mittlerweile genug Hörspielerfahrung gesammelt um den Hauptmann der Garde gut und überzeugen spielen zu können, was er auch tut.

Der Rest der Sprecherliste liest sich ebenfalls wieder wie eine Art „Who-Is-Who“. Selbst die kleinste Nebenrolle wurde wieder mit einer bekannten Stimme besetzt, auch wenn man die Namen nicht immer sofort zuordnen kann. Auch wenn Kaspar Eichel, Jochen Schröder, Gisela Fritsch, und Wilfried Herbst vielen Hörern namentlich bekannt sind, so stehen ihre Kollegen ihnen stimmlich jedoch in nichts nach.

Die Inszenierung ist wieder reinster Titanier-Bombast. Marc Gruppe und Stephan Bosenius verstehen es erneut meisterlich die leisen Töne der Geschichte genau so ergreifend heraus zu arbeiten wie die etwas dramatischeren Momente. Auch hatte ich hier nicht das Gefühl das die Geschichte in ein etwas zu schwülstige Richtung abrutschen könnte. Im „Gruselkabinett“ gab es auch schon ein paar wenige Geschichten die eigentlich nur reine Lovestorys waren und doch, meiner Meinung nach, etwa zu kitschig vertont wurden. Nicht so der Glöckner. Die Geräusche sind wieder so realitätsgenau wie man es gewohnt ist und die Stimmen werden mit so viel Raumklang versehen das man streckenweise neben den Charakteren steht. Auch die Musik ist wieder ein orchestraler Reigen der unterschiedlichsten, gut ausgewählten, Stücke.

Auch wenn ich mich hier Bewertungstechnisch etwas zu weit aus dem Fenster lehne, so bin ich der Ansicht das die Macher von Titania-Medien die bisher einzigen sind die solch dramatische Stoffe auch gebührend umsetzen können. Mit der Serie „Gruselkabinett“ haben sie bisher schon des öfteren sehr eindrucksvoll bewiesen das man auch die alten Stoffe, welche ja zumeist in der geschrieben Urform eine fast kaum gangbare Spreche aufweisen, zeitgemäß verpacken kann ohne die Originalmanuskripte zu stark zu verfälschen.

Ein erneuter Beweis das man Gruselunterhaltung auch auf sehr hohem Niveau machen kann. Es ist mir wieder einmal unmöglich eine Produktion von Titania schlecht zu bewerten, weil sie es einfach nicht sein wollen. Die Liebe zur Grundgeschichte und zum Medium in dem sie umgesetzt wird kann man den Machern aus fast jeder Produktion heraus anmerken…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
Letzte Artikel von Thomas Rippert (Alle anzeigen)