01 – Die Rückkehr der Eskatay

Morland-01Hoch im Norden zwischen schneebedeckten Bergen und rauchenden Industrieschloten erleben die Menschen des Landes keine guten Zeiten. Sie hungern, es kommt zu Aufständen, die Geheimpolizei ist allgegenwärtig. In dieser unruhigen Zeit tauchen plötzlich Jugendliche auf, die magische Fähigkeiten besitzen. Eine gnadenlose Hetzjagd auf Tess, York und Hakon beginnt. Gleichzeitig erschüttert eine rätselhafte Todesserie das Land. Überall werden Leichen geborgen, die definitiv keine Mordopfer sind. Sie haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind kopflos.

TrennstrichDie Inhaltsangabe verwischt ein wenig den mit am relevantesten Teil der Geschichte. Die wichtigsten Protagonisten sind Kinder. Diese Kinder sind irgendwie magisch begabt, oder besitzen zumindest eine übernatürlich Gabe. Und es gibt unter ihnen sogar mehrere Waisen, deren Eltern schon länger verstorben sind oder vor ihren Augen getötet wurden. Und es geht ihnen nicht gerade gut, denn einer der Hauptprotagonisten lebt in einem Waisenhaus in dem Gewaltausübung durch die Leitung und Bestrafungen mit der Peitsche als Schick erachtet werden. Ein anderer der Questgruppe muss dabei zusehen wie sein Vater vor seinen Augen umgebracht wird und kann nichts dagegen unternehmen…

Soweit ist dies alles schon so oft durchgekaut worden das man irgendwie recht schnell bereits die Lust verliert weiter zu hören, wenn man nicht unbedingt die x-te Kopie eine Fantasygeschichte um sonderbegabte Kinder braucht, welche sich durch eine grausame Welt schlagen müssen um sie am Ende eventuell nach dem dritten Teil zu verändern – oder auch nicht, wenn Teil 4 wegen des großen Erfolges in den Startlöchern steht.

Doch war ich bei dieser Ansicht erst am Ende der ersten CD angekommen und bis dahin hatte es Autor Peter Schwindt geschafft mir ein paar Elemente akustisch vor die Füße zu werfen die interessant werden könnten, wenn sie nicht nur oberflächlich angerissen blieben. Morland ist keineswegs ein totalitärer Staat, sondern er schimpft sich tatsächlich oberflächlich Demokratie, was jedoch im Laufe der Geschichte relativiert wird. In seiner geografischen Aufteilung erinnert Morland ein wenig an die USA, mit Alaska an der obersten Spitze seines Hoheitsgebietes, und auch das Staatssystem ist nicht weit davon weg ein Abziehbild der amerikanischen Gesellschaft zu sein – nur der Starke überlebt.

Auch ist die komplette Welt der Unseren sehr ähnlich und man könnte, in gewisser Weise, ein Bild malen welches den Beginn des neunzehnten Jahrhunderts zeigen würde. Es gibt Technik, wenn auch ihn relativ archaischem Maße. Autos sind vorhanden und auch sonst ist alles eher Urban Fantasy, ohne jedoch in unserer Zeit und Welt zu spielen.

Und in dieser Welt treffen das dreizehnjährige Waisenmädchen Tess, York – der Sohn eines Richters, der Zirkusartist Hakon und der Kriminalist Lennart aufeinander. Die drei Jugendlichen (Tess, York und Hakon) verfügen jeder über unterschiedliche Kräfte. York kann sich teleportieren, Hakon kann Gedanken lesen und diese auch lenken und Tess verfügt über enorme Körperkraft. Diese Drei werden mit dem älteren Polizeibeamten Lennartz durch das Schicksal zusammen geführt. Zusammen werden sie in den Sog der Ereignisse gezogen, als sich der amtierende Herrscher von Morland eine weitere Regierungszeit gönnen möchte, da er nicht nach der zweiten Amtsperiode abtreten will. Diese Gruppierung des Mentors (Lennart) und der drei „Mutanten“ (Tess, Hakon und York) erinnerte mich zwischendrin immer wieder ein wenig an einen gewissen Professor Charles Xavier und seine X-Men.

Hinzu kommt noch eine mysteriöse Mordserie mit Leichen ohne Köpfe, in welcher Lennart in seinem Amt des Oberinspektors ermitteln soll, sich jedoch schnell darüber klar wird das dies alles nicht wirklich aufgeklärt werden darf und er nur Kanonenfutter für die Spieler im Hintergrund ist. Als sich zusätzlich herausstellt das die drei Jugendlichen sogenannte Eskatay sind, verschärft sich die Sache zusehends da man zwischen ihnen und den Morden versucht Verbindungen zu ziehen. Die Eskatay gelten, durch sagenhafte Erzählungen, bei der Bevölkerung von Morland als Monster und so begegnet man ihnen mit Hass und Angst.

Zu viel des Guten, mag man meinen, und so ist es irgendwie auch. Das Hörspiel beginnt in einer Bergarbeitersiedlung in der die Grausamkeit und Menschenverachtung des Morland-Regimes, welches sich selbst als Demokratie bezeichnet, dargestellt wird. Doch ist diese Szene so nervenaufreibend inszeniert und transportiert das man denken mag die Figur „Juri“ sei der Hauptakteur der Geschichte, was er aber nicht ist. Die ersten beiden Tracks ergehen sich zumeist in Geschrei und Gejammere des Charakters „Juri“, gut – er verliert seine komplette Familie und sein Leben wird aus allen Bahnen gerissen, und wenn dann die wirklichen Helden auftreten ist man bereits so abgenervt das man sich erst einmal wieder neu orientieren muss und versuchen eine Linie in die Geschichte zurück zu bringen. Auch später werden noch ein paar Storysprünge vollzogen werden welche nicht sofort Sinn machen und alles irgendwie recht unausgegoren wirken lassen.

Da ich das Buch nicht kenne, aber doch ein paar Hörspiele des Regisseurs, gehe ich davon aus das dieses relative Anfangsdurcheinander von Leonard Koppelmann als packender Einstieg in die Welt von Morland gedacht war. Viel Gewalt, viel menschlicher Verlust und viel Elend – aber leider so hektisch und überzogen dargestellt, das ich mich wirklich durch diese Sequenz kämpfen musste. Doch muss ich der ganzen Sache sofort zu anfangs zu Gute halten das ich nicht in dieses „Oh mein Gott, da versucht wieder jemand verzweifelt Kunst zu machen!“-Feeling verfiel. Sicherlich ist alles sehr anspruchsvoll inszeniert, doch gibt es keine zu pathetischen Sprachgesänge oder gar unverständliche Vokalcollagen zu bemängeln.

Zu den Sprechern: Hier wird eine Menge schweres Geschütz aufgefahren und dieses schießt genau in die richtige Richtung. Alleine schon Matthias Koeberlin, in der Rolle des Hakon, und Celine Vogt, in der Rolle der Tess, sind wahrer Balsam für die Ohren. Beide beleben die Figuren mit genau dem Timbre das es braucht sie recht schnell in das akustische Herz des Hörers zu transportieren. Ulrich Noethen hat als Erzähler den wohl größten Part zu bestreiten. Auch wenn viele der agierenden Spielfiguren die Geschehnisse aus ihrer Sichtweise kommentieren, so muss er doch in jeder Szene stets zusätzlich erklärend eingreifen. Dies erledigt er mit der Routine eines Vollblutschauspielers, ohne viel Beteiligung und eher aus der beobachtenden Distanz heraus.

Des weiteren wäre da noch Bastian Pastewka, welcher in der Rolle des verschlagenen Egmont eine sehr gute Vorstellung abliefert. Seine schleimig-devote Art der Darstellung passt wie die Faust auf das sprichwörtliche Auge des Kollaborateurs. Ansonsten wären noch Ernst-August Schepmann (leider viel zu kurz auftretend), Karl-Heinz Tafel, Walter Gontermann (mal wieder als relativer Bösewicht) als bekanntere Namen zu erwähnen. Sie und ihre Kollegen machen ihren Job wie gewohnt gut, denn Profis wissen nun einmal eben was das wichtigste in ihrem Job ist.

Einziger Negativpunkt in der Sprecherriege war für mich Benjamin Degen. In der Rolle des York hat er einen recht großen Part, welcher mir jedoch absolut nicht zusagte. Nicht nur das seine sehr raue Stimme recht anstrengend anzuhören ist, er nennt auch einen sehr gewöhnungsbedürftigen Sprachfluss sein eigen, welcher noch mit einer ungewöhnlichen Betonung viele Dinge einher geht. Ob man diesen Charakter akustisch gewollt so statisch und gekünstelt darstellen wollte hat sich mir nicht wirklich erschlossen, doch er sticht aus den anderen Sprecher leider ziemlich unangenehm heraus.

Die Inszenierung an sich bietet alles was benötigt wird um die Szenen realistisch wirken zu lassen. Die Soundkulisse ist sehr dicht angelegt, obwohl in verschiedenen Abschnitten ein dunkles Hintergrundbrummen unterlegt wurde das nicht wirklich Sinn ergibt und vielleicht zur Verdeutlichung des Ausmaßes der Ereignisse, im negativen Sinne, dienen sollte. Die Musik ist stimmig und hat das nötige Fantasyfeeling, ohne jedoch zu stark auf orchestrales Gedröhne zu setzen.

Aller Anfang ist schwer. Hier treffen so viele Dinge aufeinander das mir die Wertung nicht gerade einfach viel. An negativen Dinge sind sicherlich der viel zu hohe Anteil an den Strecken des Erzählers zu erwähnen. Jede Szene ist die seine und er kommentiert fast jedes Geschehen noch zusätzlich mit. Dinge wie „Sagte der Aufseher“ hätte man sich sicher ersparen können, da die Stimme des Aufsehers vorher schon etwas gesagt hatte und es eigentlich klar ist wer das nun sagt. Positiv ist das Feeling welches sich nach und nach breit macht, nachdem man sich dazu entschieden hat Unterhaltung zu machen und nicht erzwungene Kunst.

Das Spielfeld ist bereitet, die Spielfiguren sind ausgiebig vorgestellt, die Gegebenheiten wurden erklärt – nun ist es an der Zeit die Protagonisten in die schlimmsten Dinge zu stürzen, wie es die Aufgabe eines zweiten Teils normalerweise ist. Unterhaltungspotential für nachfolgende Episoden ist in Mengen vorhanden und wird auch hoffentlich genutzt werden, sodass man sich hoffentlich nicht umsonst durch die Vorbereitung durch diesen Teil gearbeitet hat…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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